4-19_DER Mittelstand_web
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<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 4 | 20<strong>19</strong><br />
SERVICE<br />
85<br />
FINANZTIPP<br />
Negativzinsen und kein Ende<br />
Man kann sich nur wundern, wie wenig auch ansonsten gebildete<br />
Menschen über Geldanlagen wissen. Das scheint<br />
beabsichtigt zu sein. Denn je weniger die Menschen informiert<br />
sind, desto leichter kann ihnen die gesamte Palette von unrentablen<br />
Anlagen (zum Beispiel Staatspapiere mit Minuszinsen) bis hin<br />
zu illiquiden Anlagen (langlaufende Container, nicht börsennotierte<br />
Aktien) und schließlich toxischen Anlagen (zum Beispiel mit einer<br />
Mietgarantie einer oft ausländischen GmbH mit quasi Null Stammkapital)<br />
verkauft werden. Und das von der Wiege bis zur Bahre: Formulare,<br />
Formulare … Diese sind allerdings nicht gemacht worden, um<br />
den Kunden, sondern um die Anbieter vor Schadenersatzansprüchen<br />
zu schützen.<br />
Jüngere wissen, dass sie für ihr Geld keine oder nur niedrige Zinsen<br />
bekommen, die meist geringer als die Bankgebühren für das Konto<br />
ausfallen. Im Gegensatz zu den Älteren, die mit den Zinseinkünften<br />
auf eine bessere Altersvorsorge gesetzt hatten, kann heute keiner<br />
mehr davon leben. Dass Geld Geld kostet, merken jedoch alle, die<br />
ihr Konto überziehen. Das kann mal effektiv über zehn Prozent kosten<br />
– obwohl das Geld in Zeiten des Negativzinses ja eigentlich gratis<br />
sein müsste.<br />
An den 11. Juni 2014 erinnert sich kaum einer mehr. An diesem Datum<br />
führte die Europäische Zentralbank das Instrument der Negativzinsen<br />
ein. Damit werden die Guthaben der Banken belastet. Inzwischen<br />
wurden 21,4 Milliarden Euro eingenommen. Wenn die Banken<br />
Bargeld nicht im Keller lagern wollen, müssen sie zahlen.<br />
Durch diese „Steuer“ verschwinden fast zehn Prozent der Gewinne<br />
der deutschen Banken, denn die Strafzinsen werden nur in den<br />
seltensten Fällen an die Kunden weiterverrechnet. Und es sieht<br />
ganz so aus, als ob der aktuelle Sollzinssatz von 0,4 Prozent sogar<br />
noch erhöht wird. Ein Ende der Negativzins-Phase ist damit nicht<br />
abzusehen.<br />
Das gilt auch für die Schweiz, die mit den Negativzinsen auch ein<br />
weiteres Ansteigen des Frankenkurses verhindern will. Denn der<br />
Schweizer Franken wird als Fluchtwährung wieder interessant.<br />
Die – positiv ausgedrückt – Nullzins-Phase hat auch Vorteile: Unternehmen<br />
können sich billigerverschulden und können damit im positiven<br />
Fall ihre Gewinne erhöhen. Und Kapitalanleger können davon<br />
profitieren: Steigende Unternehmensgewinne führen tendenziell zu<br />
höheren Dividenden und steigenden Börsenkursen.<br />
In die Röhre schauen die reinen Geldanleger. Sie verlieren aufgrund<br />
des Preisanstiegs regelmäßig die Kaufkraft ihres Geldes. Und sie<br />
müssen noch weitere Verluste verkraften: Die Sozialwerke und die<br />
klassische Lebensversicherung können kaum noch Geld verdienen.<br />
Schon heute stehen einige Versicherer auf der Beobachtungsliste<br />
der Behörden. Pleiten werden nicht ausbleiben, wenn die Negativzins-Periode<br />
noch lange anhält.<br />
Die bisherige Zeit habe ich dank Immobilien und Aktien mit Gewinn<br />
gemeistert – und bei einem guten Management sind weitere Gewinne<br />
wahrscheinlich.<br />
Hans-Peter Holbach<br />
Herausgeber des Informationsdienstes<br />
Geld (erscheint im 47. Jahrgang)<br />
www.geldbrief.com<br />
Chefredakteur beim Vertraulichen<br />
Schweizer Brief<br />
www.vertraulicher.com