1-20_DER_Mittelstand_web
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34 SCHWERPUNKT<br />
<strong>DER</strong> MITTELSTAND. 1 | <strong>20</strong><strong>20</strong><br />
Liquiditätsspritze mit<br />
Nebenwirkungen<br />
Die Konjunktur schwächelt, die Politik will helfen – durch radikale<br />
Niedrig- und Nullzinspolitik. Das hält Unternehmen am Leben, die<br />
eigentlich schon tot sind: Zombiefirmen.<br />
Gefahr für die deutsche Wirtschaft droht aus vielen Richtungen:<br />
Zollstreitigkeiten verunsichern den Welthandel, der Brexit<br />
bedroht die Binnenwirtschaft der EU, Mobilitätswende und<br />
Dieseldrama sorgen für Entlassungen und Kurzarbeit bei Autobauern<br />
und den mittelständisch geprägten Zulieferern. Die Europäische<br />
Zentralbank reagiert wie alle Notenbanken zu allen Krisenzeiten mit<br />
einem eigentlich probaten Mittel: Liquiditätsspritzen, Fiat-Geld und<br />
radikale Zinssenkungen. Alles in der Hoffnung, Investitionen und<br />
Konjunktur anzukurbeln.<br />
Die Schuldeneuphorie breitet sich<br />
vom Finanzsektor auf die Realwirtschaft<br />
aus, Zombieunternehmen<br />
halten ihre Arbeitskräfte und Marktanteile,<br />
was zu einer Überlastung des<br />
jeweiligen Branchensektors führt.<br />
Zinssenkungen sind keine Lösung<br />
Doch die angestrebte Lösung des Problems kann selbst zu einem<br />
Problem werden. Schon seit der großen Krise <strong>20</strong>08 pflegt die EZB<br />
eine Politik der Null- und Negativzinsen. Was unter Draghi begann,<br />
wird sich wohl unter Christine Lagarde fortsetzen. Auch in der Phase<br />
wirtschaftlicher Erholung nach <strong>20</strong>08 klammerte man sich an Niedrigzinsen,<br />
und nun, angesichts neuer Krisen, sieht man sich in seinem<br />
Kurs bestätigt.<br />
Unternehmen, Investoren und Banken verzichten auf Eigenkapital<br />
und machen stattdessen mit Freuden Schulden – es kostet ja kaum<br />
etwas. Eine gefährliche negative Rückkopplung: Die Schuldeneuphorie<br />
breitet sich vom Finanzsektor auf die Realwirtschaft aus, die Krisenanfälligkeit<br />
der deutschen (und europäischen) Volkswirtschaft<br />
steigt, die EZB muss weiter intervenieren – wieder mit Zinssenkungen,<br />
um Gläubiger und Schuldner zu schützen.<br />
Doch dieser Schutz ist keiner. Dass einige Unternehmen am Markt verbleiben,<br />
verdanken sie eben nicht ihrer Konkurrenzfähigkeit, sondern<br />
billigen Schulden, die ihre faktische Insolvenz vertuschen. Es sind klassische<br />
Zombieunternehmen, die lediglich das Geld für die (niedrigen)<br />
Zinszahlungen erwirtschaften, jedoch nur geringen Umsatz und keinen<br />
Profit. Das birgt Gefahren für die gesamte Wirtschaft, denn der Kreditfluss<br />
zu eigentlich zahlungsunfähigen Kreditnehmern unterdrückt den<br />
marktwirtschaftlichen Selektionsprozess: Insolvenz wird verhindert,<br />
Zombieunternehmen halten ihre Arbeitskräfte und Marktanteile, was<br />
zu einer Überlastung des jeweiligen Branchensektors führt. Die dort<br />
heimischen gesunden Unternehmen leiden unter der Dominanz der<br />
unproduktiven Konkurrenz; ihre Gewinne, Arbeitsplätze und ihr Marktzugang<br />
sind bedroht. Der Markt wird verzerrt, sinkende Produktivität<br />
und ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum sind die Folgen.<br />
Nullzinspolitik verunsichert Unternehmen<br />
Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes<br />
(DSGV), betonte anlässlich der Vorstellung des S-<strong>Mittelstand</strong>s-Fitnessindex‘<br />
im September <strong>20</strong>19, dass deutsche Mittelständler<br />
aufgrund ihres Eigenkapitals investierten – nicht wegen,<br />
sondern trotz der lockeren Geldpolitik: „Die Nullzinspolitik der EZB<br />
führt zu keinen zusätzlichen Investitionen. Diese Geldpolitik führt zu<br />
mehr Unsicherheit in den Unternehmen, und Unsicherheit ist und<br />
bleibt für den <strong>Mittelstand</strong> das größte Investitionshemmnis.“ Zugleich<br />
macht er Hoffnung: „Im deutschen <strong>Mittelstand</strong> gibt es keine bedeutende<br />
Zahl von Zombieunternehmen.”<br />
Foto: © Gina Sanders von www.stock.adobe.com