MISSION DURCH MIGRATION
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Diese Entwicklung hat ihren Einfluss auf die Religiosität. Sie löst eine Suche<br />
nach neuen, individualisierten Ausdrucksformen des religiösen Erlebens aus, die eine ma-<br />
ximale Sinnfindung mit minimalem Aufwand und Verpflichtung offeriert.<br />
1.1.2 Der Trend zu neureligiöser Orientierung<br />
Das sogenannte “christliche Abendland” distanziert sich heute von diesem jahrhunderte-<br />
alten Prädikat. Auch Wetzel meint, Europa müsse Abschied nehmen von dem Selbstver-<br />
ständnis, die zahlenmässige Gewichtung der weltweiten Christenheit garantiere Europa<br />
noch eine Vorrangstellung.<br />
Innerhalb eines knappen Jahrhunderts hat der Anteil der Christenheit Europas an<br />
der Weltchristenheit von etwa 71% im Jahr 1900 auf nur noch 29% im Jahr<br />
1997 abgenommen. Ohne Zweifel markiert diese Verlagerung des zahlenmässigen<br />
Schwerpunktes weg von Europa eine der grössten Umwälzungen in der Geschichte<br />
der Christenheit. 5<br />
Die wachsende Skepsis gegenüber Wissenschaft, Technik, Machbarkeit und<br />
Wirtschaftsglaube als Garanten einer besseren Zukunft hat eine Rückbesinnung auf die<br />
geistig-geistliche Dimension zur Sinnfindung ausgelöst. Weder die traditionellen noch die<br />
modernen Kirchen scheinen es jedoch verstanden zu haben, dem postmodernen Men-<br />
schen in seinem Hunger nach Transzendenz entsprechend zu begegnen. Dem heutigen<br />
Schweizer offeriert die Religion als Institution im immanenten Bereich wohl noch die<br />
Wahrung der strukturellen und gesellschaftlichen Norm, aber kaum mehr eine trans-zen-<br />
dente Gotteserfahrung.<br />
Das Kolloquium “Religion und Kultur” in Lausanne 1991 hat deutlich gemacht,<br />
dass eine Suche nach individualisiertem, religiösem und mystischem Halt und Inhalt spür-<br />
bar ist. 6 Im transzendenten Bereich zieht es der heutige Mensch vor, in humanistischen<br />
oder esoterischen Kategorien gesehen zu werden, als in dem religiösen Schema der Frei-<br />
5 Klaus Wetzel, Wo die Kirchen wachsen: der geistliche Aufbruch in der Zwei-Drittel Welt und<br />
die Folgen für das Christentum, Hg. Helmut Burkhardt, Reinhard Frische und Gerhard Maier (Wuppertal:<br />
TVG R. Brockhaus, 1998), 93; im Folgenden zitiert als Geistlicher Aufbruch.<br />
6 J. Seguy, “Religion et Culture”, Revue Suisse de Sociologie, Relion et Culture, número spécial<br />
17, (1991): 669-684. Der Soziologe Knoblauch hat diesen Trend vor zehn Jahren als “privatisierte Religion”<br />
und das wechselnde Umfeld als “kultisches Milieu” beschrieben. H. Knoblauch, “Das unsichtbare<br />
neue Zeitalter, ‘New Age’, privatisierte Religion und kultisches Milieu,” Kölner Zeitschrift für Soziologie<br />
und Sozialpsychologie, No. 41 (Köln: 1989), 504.