MISSION DURCH MIGRATION
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gesamte Gesellschaft das individualistische Leben fördert und dem Materialismus gene-<br />
rell positiv gegenübersteht, ja, ihn sogar als erstrebenswerte Tugend fördert. Diese Hal-<br />
tung, gepaart mit dem Machbarkeitswahn einer Instant-Gesellschaft (alles, hier und<br />
jetzt), bringt den Latino in eine doppelte Versuchung. Beide Optionen sind Abwege, die<br />
Balance des Mittelweges zu finden, gelingt vielen nicht.<br />
Erstens: da die Anerkennung in einer Gruppe oder Familie nicht im gleichen<br />
Masse möglich ist, ist der Latino versucht, sich dem Materialismus ganz zu unterstellen<br />
und nach seinen Prinzipien zu leben, um bestätigt und geachtet zu werden. Dies hat oft-<br />
mals den Abfall vom Glauben zur Folge und bestätigt somit Taylors Definition des Säkula-<br />
rismus∋, da man bekanntlich nicht zwei Herren dienen kann (Mt 6,24). 4 “[In Europa]<br />
gehen jährlich...Christen in grosser Zahl an Kulte, Sekten und verschiedene andere Ein-<br />
flüsse wie etwa Säkularismus und Materialismus verloren,” bestätigt auch Brierley. 5<br />
Zweitens, hat er die Wahl, sich radikal davon abzuwenden, um sich nicht damit<br />
auseinander setzen zu müssen. Dies endet jedoch oft in einer undifferenzierten und un-<br />
sensiblen Verurteilung des Schweizers im Allgemeinen und des schweizer Christen im<br />
Speziellen.<br />
Der Materialismus wird also als Wahrzeichen kultureller Überheblichkeit inter-<br />
pretiert. Ohne sich dessen bewusst zu sein, wird dies zum Nährboden für eine eigene,<br />
geistliche Überheblichkeit der Lateinamerikaner. Als Gegenbewegung zu den materiellen<br />
Möglichkeiten des Geldes entsteht ein geistlich überhebliches Möglichkeitsdenken. Was<br />
der Schweizer mit Geld machen kann, kann der Latino mit Gott erreichen. Geschürt von<br />
pfingstlichem Eifer einerseits und von dem ihrer Kultur eigenen Enthusiasmus andrer-<br />
seits, entwickelt sich eine unausgewogene Motivation zur Mission. Das Ziel ist nicht<br />
mehr ein dienendes Inkarnationsmodell in der Evangelisation, sondern eine geistliche<br />
Antwort auf die conquista, die Eroberung Lateinamerikas im 15. und 16. Jahrhundert,<br />
4 Aus einigen Jahren Erfahrung mit Latinogruppen in der Schweiz kann der Autor diese reale<br />
Versuchung für gläubige Lateinamerikaner nur bestätigen. Es mag hier noch interessieren, dass die<br />
Männer eher dieser Versuchung erliegen als die Frauen.<br />
5 Peter Brierley, “Towards 2000: Current Trends in European Church Life”, MARC Monograph<br />
No. 1, (MARC Europe: Bromley, Kent), 1; zitiert in Lukasse, Gemeindebau, 19.