urbanLab Magazin 2021 - Transformation
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Ich bin dafür, dass man Räume der Möglichkeiten baut.<br />
Da kann man Fahrräder abstellen, aber in den nächsten<br />
zehn Jahren wird es vielleicht ein Studierendenwohnheim.<br />
land ist das sehr wenig ausgeprägt. Sie<br />
müssen ihre Kinder in eine Kita bringen,<br />
zum Beispiel. Oder sie müssen mit den<br />
Kindern auf einen Spielplatz. Sie können<br />
sich nicht vorstellen, dass Kinder zum<br />
Beispiel auch in einem Büroflur oder in<br />
einem Fabrikgebäude genauso gut spielen<br />
können.<br />
KA: Wenn du jetzt die Welt neu gestalten<br />
könntest, hätten dann all deine Räume<br />
keine Funktion, weil alles für alles nutzbar<br />
sein muss?<br />
LM: Sagen wir es mal so, wenn du ein<br />
Haus baust, was keine Fenster hat, dann<br />
schließt du schon mal ganz viele Funktionen<br />
aus. Wenn du zum Beispiel eine Garage<br />
baust, um ein Auto da abzustellen,<br />
machst du keine Fenster rein, dann kann<br />
der Raum aber nicht anders genutzt<br />
werden. Wenn du aber eine Garage<br />
baust mit einem Fenster, vielleicht sogar<br />
auf eine Höhe, dass man gut sitzen und<br />
raus gucken kann, dann kann die Garage<br />
später alles Mögliche sein. Es kann<br />
ein Shop werden, es kann Gästezimmer<br />
werden. Die meisten Leute, die ich kenne,<br />
die eine Garage bauen, machen aber<br />
kein Fenster rein.<br />
Ich bin dafür, dass man Räume der Möglichkeiten<br />
baut. Da kann man Fahrräder<br />
abstellen, aber in den nächsten zehn Jahren<br />
wird es vielleicht ein Studierendenwohnheim.<br />
Aber dann muss man das auch<br />
schon so planen, dass alles möglich ist.<br />
Und wenn man nur irgendwelche hässlichen<br />
Kisten macht, ohne Fenster und<br />
Deckenhöhe von zwei Metern, dann<br />
schließe ich schon mal ganz viel aus. Und<br />
das ist das Problem in Deutschland, dass<br />
die Leute sagen „Okay, ich bau ein Museum“<br />
und bauen ein Museum und denken<br />
nicht darüber nach, dass das Museum<br />
vielleicht in 100 Jahren umgenutzt wird.<br />
KA: Was definitiv ein Problem ist, weil<br />
einfach nicht mehr so gebaut wird, dass<br />
es 100 Jahre hält.<br />
LM: Absolut. Da sagst du was absolut<br />
Richtiges. Das hat etwas mit Kapitalismus<br />
zu tun. Die wollen doch gar nicht,<br />
dass das so lange hält. Dann sind ja alle<br />
Architekten nach uns arbeitslos. Das<br />
kann aber nicht der Anspruch sein. Man<br />
kann ja auch nicht Medizin machen mit<br />
dem Ziel, dass die Menschen in zehn<br />
Jahren wieder krank werden, weil sonst<br />
unsere Mediziner arbeitslos sind. Das ist<br />
kein Argument.<br />
KA: Das ist ja auch definitiv nicht im Sinne<br />
der Nachhaltigkeit. Was ist dann für<br />
dich ein Zuhause oder was macht für dich<br />
das Zuhause aus, wenn du sagst, man<br />
kann überall leben?<br />
LM: Ein Zuhause ist ein Ort, den du erst<br />
einmal selber auswählst. Den Ort bestimmst<br />
du selber. Nicht der Staat oder<br />
irgendwelche Immobilienmakler oder<br />
deine Eltern, sondern du entscheidest,<br />
dass das jetzt dein Zuhause ist. Stell dir<br />
vor, du möchtest jetzt da an einem Baum<br />
ein Baumhaus bauen. Dann muss man<br />
gucken, störst du damit andere? Beschränkst<br />
du die Freiheit anderer durch<br />
deinen individuellen Wunsch? Wenn das<br />
nicht der Fall ist, dann ist das vollkommen<br />
okay an dem Baum ein Baumhaus<br />
zu bauen. Jetzt kommt aber eine Sache<br />
dazu, die relativ neu in der ganzen Wohnungs-Debatte<br />
ist. Ich bin der Meinung<br />
es stimmt nicht, wenn du sagst, dass das<br />
nichts kostet in dem Baum zu wohnen.<br />
Nehmen wir mal an, dass viele den<br />
Wunsch, haben so weit weg wie möglich<br />
zu wohnen. Im Wald oder am See,<br />
wo möglichst wenig Menschen wohnen.<br />
Dann sagen wir ja erst mal, das kostet<br />
ja nichts, das Grundstück ist billig, die<br />
Hütte baue ich aus recycelten Materialien.<br />
Aber du brauchst ja auch Energie,<br />
Wasser und das Wasser muss geklärt<br />
und gereinigt werden. Das sind ja alles<br />
Kosten, die in der Gemeinschaft verteilt<br />
werden, das zahlst du nicht alleine. Dann<br />
musst du dich vor Ort auch noch bewe-<br />
96 HUMAN CENTERED DESIGN