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urbanLab Magazin 2021 - Transformation

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„<br />

Resonanzbeziehungen zwischen Menschen und Dingen zeichnen sich<br />

durch eine wechselseitig transformative Dynamik aus, beispielsweise<br />

zwischen „Schreiner und Holz“, „Bäcker und Teig“ sowie „Pflanze und Gärtner“.<br />

Hartmut Rosa<br />

ist daher eine Perspektive notwendig,<br />

die diese vielfältigen Beziehungsdynamiken<br />

themenübergreifend daraufhin<br />

befragen kann, ob Beziehungen gelingen<br />

oder ob sie misslingen. Es ist ein<br />

Ansatz erforderlich, welcher die Beziehungsqualität<br />

der materiellen Welt<br />

selbst fokussieren kann – und welcher<br />

von mir in meinem Promotionsprojekt<br />

entwickelt wird und in diesem Beitrag<br />

vorgestellt werden soll.<br />

2. WELTBEZIEHUNGEN ZWISCHEN<br />

RESONANZ UND ENTFREMDUNG<br />

Eine theoretische Perspektive, die die<br />

Frage nach der Beziehungsqualität<br />

der materiellen Welt ermöglicht – aber<br />

selbst nicht stellt – ist die von dem Soziologien<br />

Hartmut Rosa entwickelte<br />

Soziologie der Weltbeziehung (Rosa<br />

2016). Auch hier handelt es sich um einen<br />

relationalen Ansatz, doch anders<br />

als beispielweise in der Akteur-Netzwerk-Theorie<br />

nach Bruno Latour, bleibt<br />

Rosa nicht bei dem Postulat stehen,<br />

dass Beziehungen von wesentlichem,<br />

soziologischen Interesse sind, sondern<br />

fragt nach der Qualität von Beziehung<br />

und stellt diese in das Zentrum einer<br />

kritischen Gesellschaftstheorie. Grundlegend<br />

ist hierbei der Begriff der Weltbeziehung:<br />

Gemeint ist damit, dass<br />

das was das Subjekt ausmacht und das<br />

was als Welt vorgefunden ist, immer<br />

schon Produkte von Beziehungen sind.<br />

Das heißt, hier wird die Konstitution<br />

des Subjektes mit der Beschaffenheit<br />

von Weltausschnitten verknüpft, die<br />

miteinander durch Beziehungen verschiedener<br />

Qualität verbunden sind.<br />

Rosa bietet nun mit seinem Ansatz eine<br />

Unterscheidung verschiedener Beziehungsqualitäten<br />

an, der weitreichendes<br />

analytisches Potenzial zukommt. So bilden<br />

die Begriffe Entfremdung und Resonanz<br />

ein Spektrum, mit dem es möglich<br />

ist, Beziehungsformen auf ihre Qualität<br />

hin zu befragen und zwischen diesen<br />

Polen zu verorten. Während es sich bei<br />

dem Begriff der Entfremdung um einen<br />

seit Marx etablierten Begriff handelt,<br />

welcher hier vor allem zur Bezeichnung<br />

misslingender Beziehungen gebraucht<br />

wird, in der sich Subjekt und Welt indifferent,<br />

unverbunden oder sogar<br />

feindlich gegenüberstehen (Repulsion),<br />

bezeichnet Resonanz eine Beziehungsform,<br />

in der Subjekt und Welt auf gelingende<br />

Weise miteinander verbunden<br />

sind und hier eine wechselseitige, transformative<br />

und dominanzfreie Dynamik<br />

entsteht, die von gegenseitiger Attraktion<br />

getragen wird (ebd.: 298, 316). Rosa<br />

gelingt es damit, der kritischen Analyse<br />

von Beziehungen eine positive Richtung<br />

zu weisen und sie nicht mehr nur<br />

auf die Analyse defizitärer Muster zu<br />

beschränken, sondern öffnet mit dem<br />

Begriff der Resonanz einen Horizont für<br />

die Bestimmung positiver, d.h. nichtentfremdeter<br />

Beziehungsformen.<br />

Neben der sozialen und kulturellen<br />

Sphäre bildet Materialität eine weitere<br />

zentrale Achse für Weltbeziehungen.<br />

Denn In-der-Welt-Sein bedeutet immer<br />

auch unweigerlich „Mit-den-Dingenzutun-haben“<br />

(Taylor/Dreyfus 2016:<br />

174), es lassen sich also keine Formen<br />

von Weltbeziehungen denken, in denen<br />

Dinge keine Rolle spielen. Resonanzbeziehungen<br />

zwischen Menschen und<br />

Dingen zeichnen sich hier durch eine<br />

wechselseitig transformative Dynamik<br />

aus, beispielsweise zwischen „Schreiner<br />

und Holz“, „Bäcker und Teig“ sowie<br />

„Pflanze und Gärtner“ (Rosa 2016:<br />

394ff). Hingegen charakterisieren sich<br />

Entfremdungsbeziehungen durch Erstarrung,<br />

„Uniformität“, „Oberflächlichkeit“,<br />

„Austauschbarkeit“ (Rosa 2016:<br />

152, 381ff, 392) – Dinge also, die keine<br />

Responsivität aufweisen. Rosa ermöglicht<br />

mit der Soziologie der Weltbeziehung<br />

eine Analyse der Dinge, die an der<br />

52 HUMAN CENTERED DESIGN

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