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urbanLab Magazin 2021 - Transformation

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gen können. Wahrscheinlich mit einem<br />

Auto, weil es keine Busse gibt. Umso<br />

weniger Menschen dort leben, desto weniger<br />

Infrastruktur hast du. Wenn du dir<br />

außerhalb der Zivilisation ein Zuhause<br />

wünschst, dann kann es sein, dass es auf<br />

den ersten Blick aussieht als ob du niemanden<br />

damit weh tust, aber durch dein<br />

Konsumverhalten entstehen Kosten, die<br />

wahrscheinlich die Gemeinschaft trägt.<br />

Und das ist nicht fair. Die Gemeinschaft<br />

profitiert ja nicht von einem Baumhaus.<br />

Aber wenn du sagen würdest, dass ist<br />

ein Baumhaus nicht nur für dich, sondern<br />

für die Hochschule, ist es was anderes.<br />

Dann leistest du einen Beitrag<br />

für die Gemeinschaft und musst auch<br />

nicht alleine die Kosten tragen, sondern<br />

dann kann man das schon auf die Gemeinschaft<br />

abwälzen. Das ist der Grund,<br />

warum unsere Tiny Houses nicht am<br />

Waldrand stehen, sondern wie hier auf<br />

einem Schulhof. Hier steht es ja der Gemeinschaft<br />

zur Verfügung.<br />

KA: Wie kam denn die Idee überhaupt<br />

Tiny Houses zu entwerfen? Ich dachte immer<br />

du hast das Problem des Wohnraum-<br />

Mangels vor allem in Berlin erkannt und<br />

darauf reagiert.<br />

LM: Ich habe damit angefangen, da gab<br />

es noch gar keinen Mangel an Wohnraum.<br />

Damals haben sich alle gefragt,<br />

was machen wir eigentlich damit? Wer<br />

braucht es eigentlich? Und dann haben<br />

wir das Obdachlosen angeboten. Jetzt,<br />

zehn Jahre später, wissen wir „Okay,<br />

krass, in so vielen Ländern der Welt gibt<br />

es zu wenig bezahlbare Wohnungen“.<br />

Jetzt denke ich viel über diese Themen<br />

nach.<br />

KA: Ich komme aus einem ländlichen<br />

Gebiet. Natürlich haben wir langsam<br />

auch das Wohnungsproblem, noch nicht<br />

so verstärkt wie in Berlin, aber es wird<br />

spürbar. Ich sehe das als ein gesamtgesellschaftliches<br />

Problem. Die Menschen<br />

wollen alle in die Städte ziehen, weil die<br />

Infrastruktur im ländlichen Raum einfach<br />

nicht funktioniert oder nicht existiert.<br />

Wir brauchen ein Auto, weil man sonst<br />

nicht von A nach B kommt.<br />

LM: Hier in Reinickendorf hat jeder ein<br />

oder zwei Autos. Das ist nicht nur ein<br />

Phänomen von Mittelstädten oder kleineren<br />

Städten oder vom Land, sondern<br />

das ist ein allgemeines Phänomen. Es ist<br />

die Geschichte des Wohlstands, dass das<br />

Auto eine gewisse Freiheit ermöglicht.<br />

Aber nehmen wir mal an, wir hätten das<br />

Mobilitäts-Problem gelöst, es ist ja nicht<br />

nur Mobilität. Zum Beispiel Resilienz, Resilienz<br />

bedeutet ja Widerstandsfähigkeit.<br />

Würde ein Mann beispielsweise in Kreuzberg<br />

auf der Straße zusammenbrechen,<br />

dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er<br />

dort verblutet und stirbt, sehr gering. Es<br />

gibt einfach viele Menschen, die vorbeilaufen<br />

und dann direkt handeln. Wenn<br />

du im Wald zusammenbrichst, dann<br />

wirst du wahrscheinlich sterben, einfach<br />

weil kaum Menschen da sind, die dir helfen<br />

könnten. Das heißt, die Kosten, um<br />

zum Beispiel. einen Bademeister in einer<br />

Stadt zu bezahlen sind pro Kopf gerechnet<br />

sehr viel geringer als die Kosten für<br />

einen Bademeister, der an einem See darauf<br />

achtet, dass zwei Leute nicht ertrinken.<br />

Die Kosten sind so viel höher, weil<br />

zu wenig Menschen da sind. Das führt<br />

dann zu diesen Effekten, dass z.B. Läden<br />

nicht überleben können auf dem Land.<br />

Niemand kann überleben, weil einfach<br />

zu wenig Nachfrage da ist. Und das ist ja<br />

ein ganz anderes Problem. Das hat mit<br />

Mobilität jetzt erst einmal nur am Rande<br />

was zu tun. Und das kriegst du auch<br />

nicht gelöst, wenn alle einen Tesla bekommen<br />

würden.<br />

Es gibt viele Probleme auf dem Land,<br />

die einfach dadurch begründet sind,<br />

dass zu wenige Menschen da sind. Und<br />

dann kommt noch der politische Effekt<br />

dazu. Wenn wenige Menschen an einem<br />

Ort sind, dann schleicht sich so eine Homogenität<br />

ein. Das heißt Leute, die sich<br />

nicht anpassen werden so schnell herausgefiltert.<br />

Es gibt sehr wenig Toleranz.<br />

Und in einer Großstadt, weil dort so<br />

viele Menschen sind, musst du tolerant<br />

sein, sonst wirst du noch verrückt. Das<br />

Landleben ist super für Leute, die wirklich<br />

angepasst sind. Für Leute, die nicht<br />

angepasst sind, ist es die Hölle. Und jetzt<br />

muss man natürlich mal auch an die<br />

denken, die Unangepasste. Die werden<br />

HUMAN CENTERED DESIGN<br />

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