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urbanLab Magazin 2021 - Transformation

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4. IST NACHHALTIGKEIT RESONANT?<br />

Der Begriff der materiellen Beziehungsqualität<br />

ist mehr als die Bezeichnung<br />

einer weiteren Eigenschaft, die an die<br />

Dinge herangetragen werden soll. Sie<br />

ist ein Phänomen, an dem die materiellen<br />

Qualitäten der Dinge und unsere<br />

Beziehungen zu ihnen in einem neuen<br />

Licht erscheinen. Dieser Begriff ist daher<br />

auf einer Metaebene angesiedelt,<br />

mit der Phänomene, Prozesse und Qualitäten<br />

anders gedacht werden sollen.<br />

Illustrieren lässt sich dies am Beispiel<br />

der Nachhaltigkeit. Auch dieser Begriff<br />

ist komplex und ambivalent, seine Konnotationen<br />

reichen von anhaltender<br />

Wirksamkeit bis hin zu schonendem<br />

Umgang. Aus weltbeziehungstheoretischer<br />

Perspektive erscheint Nachhaltigkeit<br />

somit als mehr, denn als bloße<br />

Stoffstrombilanzierung: Nachhaltigkeit<br />

kann sowohl Gegenstand einer Beziehung<br />

sein (schonender Umgang), als<br />

auch eine Eigenschaft der Beziehung<br />

selbst sein (anhaltende Wirksamkeit).<br />

Ist also auch Nachhaltigkeit resonant?<br />

Und: Wie kann Resonanz selbst nachhaltig<br />

sein? Unterscheidet man hier<br />

zwischen nachhaltig als normative<br />

Zuschreibung und als Eigenschaft der<br />

Dinge, dann lässt sich auch hier fragen,<br />

inwiefern Nachhaltigkeit mit materieller<br />

Beziehungsqualität korrespondiert,<br />

denn Nachhaltigkeit impliziert nicht<br />

automatisch mehr Resonanz, sondern<br />

kann auch Entfremdung steigern – man<br />

denke hier beispielsweise nur an die<br />

ökologische Problematik von Bioplastik.<br />

Aber: Materielle Beziehungsqualität<br />

kann Nachhaltigkeit selbst erfahrbar<br />

machen, wenn sie selbst nachhaltig ist.<br />

Das heißt, wenn Beziehungsqualität auf<br />

Dauer gestellt wird, kann eine nachhaltige<br />

Materialität selbst zu einer Disposition<br />

für Resonanzbeziehungen werden.<br />

Beziehungstheoretisch hieße das,<br />

dass Nachhaltigkeit dann nachhaltig ist,<br />

wenn durch sie Resonanz selbst spürbar<br />

und wirksam wird. Für die Gestaltung<br />

der materiellen Lebenswelt folgt<br />

daraus, dass ihre <strong>Transformation</strong> nur<br />

„<br />

dann eine nachhaltige sein kann, wenn<br />

die Möglichkeit für Resonanz selbst<br />

nachhaltig verankert wird. -<br />

Nachhaltigkeit kann sowohl<br />

Gegenstand einer Beziehung<br />

sein, als auch eine Eigenschaft der Beziehung<br />

selbst sein.<br />

Literatur und Anmerkung:<br />

Blumenberg, Hans (2010): Theorie der Lebenswelt. Berlin:<br />

Suhrkamp.<br />

Rosa, Hartmut (2016): Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung.<br />

Berlin: Suhrkamp.<br />

Simmel, Georg (2000): Der Begriff und die Tragödie der Kultur. In:<br />

Rammstedt, Otthein (Hrsg.): Georg Simmel. Aufsätze und Abhandlungen<br />

1909-1918. Band 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 194-223.<br />

Taylor, Charles/Dreyfus, Hubert L. (2016): Die Wiedergewinnung<br />

des Realismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

Martin Repohl, M.A.<br />

Studium der Politikwissenschaft, Soziologie und<br />

Gesellschaftstheorie in Jena und Leipzig. Doktorand<br />

am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und<br />

arbeitet dort seit 2019 bei Prof. Dr. Hartmut Rosa an<br />

dem Projekt „Die Beziehungsqualität der materiellen<br />

Welt“. Weitere Arbeitsschwerpunkte: Gesellschaftstheorie,<br />

die Philosophie Hans Blumenbergs, Katastrophensoziologie<br />

und Environmental Humanities.<br />

HUMAN CENTERED DESIGN<br />

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