urbanLab Magazin 2021 - Transformation
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Den Dingen ganz zugewandt:<br />
Kreatives Chaos in einem Repariercafé<br />
Qualität von Dingbeziehungen interessiert<br />
ist, lässt aber konzeptionell offen,<br />
wie die Dinge denn konkret Anteil an<br />
der Dynamik von Beziehungen haben.<br />
Mein Promotionsprojekt möchte genau<br />
diese konzeptionelle Lücke schließen,<br />
in dem eine phänomenologische Perspektive<br />
eingenommen wird, die genau<br />
darauf schaut, wie die Materialität der<br />
Dinge selbst an Beziehung beteiligt ist.<br />
Es geht also darum, verschiedene dingliche<br />
Eigenschaften, wie beispielsweise<br />
Eigendynamik, Stabilität, Veränderbarkeit,<br />
sinnliche Qualitäten, Vielseitigkeit/<br />
Offenheit, Ambiguität usw., mit verschiedenen<br />
Interaktionsmöglichkeiten<br />
zu assoziieren und so zu zeigen, dass<br />
Dingbeziehungen nicht subjektiv beliebig<br />
sind, sondern dass die Beschaffenheit<br />
der Dinge die Möglichkeit dafür<br />
beeinflusst, ob eher eine Beziehung<br />
der Resonanz oder der Entfremdung<br />
entsteht. Indem so entitätenübergreifend<br />
nach der Beziehungsqualität der<br />
materiellen Welt gefragt wird, gelingt<br />
es, die oben erwähnten Aspekte, wie<br />
ökologische <strong>Transformation</strong>, Umweltverschmutzung,<br />
Digitalisierung aber<br />
auch Themen aus Design und Gestaltung<br />
in einer Perspektive zu vereinen<br />
und so ein kritisches Bewusstsein dafür<br />
zu schaffen, was es eigentlich heißt, in<br />
einer materiellen Welt zu sein, die auf<br />
eine bestimmte – resonante oder entfremdete<br />
– Art beschaffen ist. Also: Wie<br />
beeinflussen die Dinge die Möglichkeit<br />
für gelingende Beziehungen?<br />
3. MATERIALITÄT ALS STRUKTUR VON<br />
LEBENSWELT<br />
Trägt man diese Frage nun an die gegenwärtige<br />
<strong>Transformation</strong> der materiellen<br />
Welt heran, dann öffnet sich ein komplexes<br />
und ambivalentes Spannungsfeld.<br />
Denn die gebaute Umwelt und<br />
die Unmenge der Dinge sind mehr als<br />
menschlicher Lebensraum, sie sind Le-<br />
„<br />
Wie beeinflussen die Dinge die Möglichkeit<br />
für gelingende Beziehungen?<br />
benswelt in einem tieferen Sinne, da sie<br />
ein Universum von Selbstverständlichkeiten<br />
bilden – wie es der Philosoph Edmund<br />
Husserl definiert. Das heißt, den<br />
Dingen der Lebenswelt kommt vor allem<br />
eine verlässliche Funktionalität zu,<br />
die Weltbeziehung stabilisiert, in dem<br />
sie Handlungen verlässlich machen und<br />
so ein immer neues Befragen-müssen<br />
verhindern. Dadurch werden Weltbeziehungen<br />
verlässlich und kalkulierbar,<br />
Handlungsabläufe stabilisiert, Routinen<br />
möglich und ontologische Unsicherheit<br />
beseitigt, denn die dingliche Welt<br />
hält (scheinbar) genau das, was sie verspricht<br />
– was noch heute die Kernaussage<br />
vieler Werbebotschaften ist. Der<br />
Philosoph Hans Blumenberg erläutert<br />
dies im Anschluss an Husserl anhand<br />
einer Türklingel: Das Klingeln liegt hier<br />
im Knopfdruck als „gewünschte[r] Effekt<br />
[…] apparativ fertig bereit“, um so<br />
„das mühelos verfügbare zu suggerieren“<br />
(Blumenberg 2010: 210). In dem<br />
die Dinge hier also nur das tun, was<br />
von ihnen erwartet wird und auch nur<br />
HUMAN CENTERED DESIGN<br />
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