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Antiquariatsmesse Stuttgart 2022 - Katalog

Katalog zur Antiquariatsmesse Stuttgart 2022: Die diesjährige Antiquariatsmesse Stuttgart, Deutschlands bedeutendste Messe für schöne und seltene Bücher, Autographen, illustrierte Werke und Graphik findet, wie bereits im vergangenen Jahr pandemiebedingt nicht als klassische Messe, sondern in Form des gedruckten Kataloges und als digitale Messe auf bewährter Plattform (18. bis 22. Februar 2022) statt. 73 Antiquariate und Galerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, England und den USA werden auch in diesem Jahr die gesamte Bandbreite des Antiquariatshandels präsentieren. Der gedruckte Katalog wird ab dem 31. Januar 2022 an interessierte Kunden verschickt, die virtuelle Messe öffnet ihre „digitalen Pforten“ am 18. Februar 2022 um 12.00 Uhr unter www.antiquariatsmesse-stuttgart.de

Katalog zur Antiquariatsmesse Stuttgart 2022: Die diesjährige Antiquariatsmesse Stuttgart, Deutschlands bedeutendste Messe für schöne und seltene Bücher, Autographen, illustrierte Werke und Graphik findet, wie bereits im vergangenen Jahr pandemiebedingt nicht als klassische Messe, sondern in Form des gedruckten Kataloges und als digitale Messe auf bewährter Plattform (18. bis 22. Februar 2022) statt.

73 Antiquariate und Galerien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, den Niederlanden, Frankreich, England und den USA werden auch in diesem Jahr die gesamte Bandbreite des Antiquariatshandels präsentieren.

Der gedruckte Katalog wird ab dem 31. Januar 2022 an interessierte Kunden verschickt, die virtuelle Messe öffnet ihre „digitalen Pforten“ am 18. Februar 2022 um 12.00 Uhr unter www.antiquariatsmesse-stuttgart.de

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Johannes Chrysostomos, Homiliae super Mattheum<br />

– Gregorius I., Homiliae super Evangeliis<br />

– Origenes, Homiliae – vorangestellt: Arbor<br />

consanguinitatis.<br />

Illustrierte Handschrift in Latein auf Papier, geschrieben<br />

von Nicolas, ehemaliger Vikar in Piesting.<br />

Österreich, Wiener Neustadt (?), 1407–1408.<br />

414 × 289 mm. 108 (von 111) Blättern, zumeist in<br />

12er-Lagen, Kustoden vorhanden. Wasserzeichen:<br />

Dreiberg mit einkonturiger Stange und Kreuz, nicht<br />

in den Online-Wasserzeichendatenbanken aufgeführt.<br />

Moderne Bleistift-Foliierung. Schriftspiegel:<br />

315 × 215 mm, zu zwei Spalten und 57–66 Zeilen,<br />

in einer Kursivschrift, in brauner Tinte, Rubriken<br />

in Rot. – Viele Initialen in Rot, ein Stammbaum,<br />

2 große, rot hervorgehobene Tuschezeichnungen.<br />

– Zusätzliche, sehr interessante Aufzeichnung von<br />

hoher historischer Bedeutung. € *280 000,–<br />

Von besonderem Interesse ist hier der Ketteneinband<br />

aus der Entstehungszeit der Handschrift. Dunkelbraunes<br />

Kalbsleder über Eichendeckeln mit Originalkette<br />

am Rückendeckel mittig auf der Oberseite angebracht.<br />

Vorder- und Rückendeckel sind fast identisch verziert<br />

in der seltenen Lederschnitt-Technik (Cuir-Ciselé):<br />

drei vertikalen Streifen mit jeweils unterschiedlichen<br />

Pflanzenmotiven und Blattranken. Diese vegetativen<br />

Formen kontrastieren mit dem fein punzierten Grund.<br />

Bei diesem selten angewendeten Verfahren wurde das<br />

Motiv in das Leder geschnitten, nachdem dieses zunächst<br />

mit einem spitzen Werkzeug eingeritzt und dann<br />

angefeuchtet worden war. Experten betrachten diese<br />

Art der Dekoration als eine der höchsten Ausprägungen<br />

der mittelalterlichen Buchbinderkunst, die nur im<br />

15. Jahrhundert in Südostdeutschland, Österreich und<br />

Spanien praktiziert wurde. Rücken fachmännisch restauriert,<br />

nur im oberen Rückenkompartiment fehlt der<br />

Lederbezug. Oberer Verschluss und Schließe vollständig,<br />

untere Schließe fehlt. Die Pergament-Vorsätze am<br />

Anfang und Ende bestehen aus zwei Hälften einer Urkunde<br />

über ein Gerichtsverfahren von 1390 (s. unten).<br />

Im Anschluss an eine Federzeichnung mit einem<br />

„Arbor Consanguinitatis“, folgt ein Teil mit Homilien,<br />

Bibelauslegungen von verschiedenen Autoren. Ein solcher<br />

Codex wurde in erster Linie zum Studium verwendet<br />

oder als praktisches Handbuch für einen Priester,<br />

das ihn bei seinen seelsorgerischen Aufgaben und bei<br />

der Vorbereitung von Predigten unterstützte. Somit ist<br />

diese Handschrift ein Gebrauchsbuch für Priester oder<br />

Pfarrer. Der Ketteneinband steht für die Tatsache, dass<br />

es für die allgemeine Konsultation an einem Lesepult<br />

in der Kirchenbibliothek angebracht war.<br />

Unser Schreiber datiert seine vollendeten Textabschnitte<br />

auf 1407–1408. Er verrät auch seinen Namen:<br />

Nicolaus plebanus quondam in pisetink (Nicolas einst<br />

Vikar in Piestink). Vermutlich war er auch der Urheber<br />

der beiden Tuschezeichnungen, die Johannes Chrysostomos<br />

(f. 2r) und Papst Gregor (f. 61r) zeigen.<br />

Durch die Datierung, die Signierung und den aussergewöhnlichen<br />

Einband ist der Codex ein wichtiges<br />

Dokument für die Buchgeschichte in Österreich. Überdies<br />

ist er im Hinblick auf den historischen, und am<br />

Ende geradezu schicksalhaften, Kontext ein wichtiges<br />

Zeitzeugnis.<br />

Der Schreiber ist wahrscheinlich jener Nicolaus Nicolai,<br />

der in der Urkunde des Gerichtsverfahrens erwähnt<br />

wird, die dem vorliegenden Buch als Vorsatzblatt beigefügt<br />

ist. Er fügte seinem theologischen Text einige persönliche<br />

Notizen in deutscher Sprache über den extrem<br />

kalten Winter, die Lebensmittelpreise und die lokalen<br />

Unruhen hinzu, dabei zeigt er aufrichtige Anteilnahme<br />

an den Qualen seiner Zeitgenossen. Über sein berufliches<br />

Schicksal legt die oben erwähnte Prozessurkunde<br />

Zeugnis ab, in der ein gewisser Konrad Wallingraben zu<br />

Piesting beschuldigt wird, unrechtmäßig die Pfarrstelle<br />

von Nicolaus Nicolai usurpiert zu haben. Aufgrund der<br />

Schwere des Vergehens wurde seine Exkommunikation<br />

am 9. Juli 1389 erwirkt, dennoch las er – anscheinend<br />

unbeeindruckt – weiterhin die Messe in Piesting.<br />

Unser Schreiber Nicolaus verließ die Pfarrei schliesslich<br />

und suchte sich einen anderen Lebensunterhalt, doch<br />

zu allem Überfluss endete sein Leben gewaltsam! Einer<br />

Notiz im Buch zufolge (f. 58r), wurde er erstochen von<br />

„rustibaldus“ (wohl eine versehentliche sprachliche<br />

Engführung von „rusticus“ und „ribaldus“), was vielleicht<br />

sogar als Racheakt der Wallingrabenpartei gewertet<br />

werden kann? Nur sehr wenige Handschriften aus<br />

Wiener Neustadt, Piesting oder gar Tulln sind erhalten.<br />

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