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Initiierung technologischer Systeminnovationen - OPUS - Universität ...

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– 123 –<br />

Die Mechaniktechnologie war in Form konkreter Rechen- und Speicherwerke<br />

bereits seit Babbages Versuchsprototypen phänomenologisch wahrnehmbar vorhanden.<br />

Erst der weit über die Mechanik hinausgehende funktional-abstrakte<br />

Blick auf die potentiellen Technologiealternativen konnte dafür sorgen, daß die<br />

Systeminnovationsidee ‘Computer’ für die beteiligten Ingenieure und Mathematiker<br />

genug Charme versprühte bzw. technologisch attraktiv erschien. Mit<br />

dieser Perspektive ließen sich dann auch – stärker in den USA als in Deutschland<br />

– Geldgeber für das Projekt ‘Computerentwicklung’ gewinnen. 21<br />

Zuse liefert in seinen Lebenserinnerungen auch eine hochinteressante Erläuterung<br />

dafür, daß er die elektrischen bzw. elektronischen Alternativen zur<br />

Realisierung von Computerfunktionen zunächst aufgrund seiner phänomenologischen<br />

Perspektive übersah: „Ich selbst hatte sie [Schreyers vermeintliche<br />

‘Schnapsidee’ mit den Elektronenröhren] nie ernsthaft verfolgt, 22 was in erster<br />

Linie meiner optischen Einstellung zur Welt zuzuschreiben sein dürfte. Dinge,<br />

die man nicht sieht, waren für mich immer schwer durchschaubar.“ 23<br />

� Die Wirkung einer eingeschränkten (bzw. erweiterten) Perspektive bei der<br />

Identifizierung geeigneter Komponententechnologien läßt sich aber nicht nur<br />

am allgemeinen Beispiel des Computers zeigen. Beispielsweise erkannten die<br />

Sony-Ingenieure, daß man die Aufnahme- und Abspielfunktionen eines Videorecorders<br />

auch mit einem einfacheren, doch funktional äquivalenten 2-Kopf-<br />

System anstelle eines 4-Kopf-Systems realisieren konnte. Dies war keine<br />

selbstverständliche Erkenntnis, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.<br />

Ihr liegt zugrunde, daß man bei Sony (und JVC/Matsushita) das Potential der<br />

1959 erstmals anhand eines Prototyps realisierten Helical Scanner-Technologie<br />

voll erfaßte. 24 Bei dieser funktioniert das Zusammenspiel von Aufnahmeeinheit<br />

und Videoband völlig anders als bei einem ‘Transverse Scanner’ mit vier Köpfen,<br />

wie er – auch phänomenologisch leicht erkennbar – bereits seit Mitte der<br />

50er Jahren in den Profigeräten des Profisegment-Pioniers Ampex steckte.<br />

Die Helical Scanner-Technologie wurde übrigens von einem jungen Toshiba-<br />

Ingenieur entwickelt. Allerdings: Weder Toshiba noch Ampex erkannten den<br />

möglichen Nutzen durch diesen technologischen Sprung.<br />

21 Über einen der zentralen Köpfe der amerikanischen Computerentwicklung, das Multigenie<br />

John von Neumann, schreibt Kaufmann (1974), S. 175: „Und J. v. Neumann – ja er begeisterte<br />

sich an diesem technischen Sprung und trug diese Begeisterung weiter!“<br />

22 Um Mißverständnissen vorzubeugen: Zuse ist weder der Schöpfer der höchst kreativen Idee,<br />

Elektronenröhren für die Realisierung zentraler Computerfunktionen zu verwenden, noch hat<br />

er dieser Idee zum Durchbruch verholfen (vgl. Bauer (1998), S. 14). Entscheidend ist im<br />

beschriebenen Zusammenhang, daß er die Relevanz der Idee Schreyers sehr früh erkannte.<br />

23 Zuse (1993), S. 35. In einem anderen Zusammenhang (es ging um die Ausbreitung von<br />

Schockwellen bei Detonationen) äußerte John v. Neumann einmal: „Ein visualisierender<br />

Verstand kann nicht sehen, was hier passiert. Man muß das abstrakt sehen.“ (zitiert nach<br />

Fischer (1997), S. 174). Ein Treffer ins Zentrum des hier behandelten Problems des phänomenologischen<br />

‘Sehens’ bzw. Nicht-Sehen-Könnens.<br />

24 Vgl. neben Rosenbloom/Cusumano (1987) auch Kodama (1995), S 149 f.

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