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Rombuch

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die Probleme. Die bunte Fülle der Wirklichkeit zieht ihn an, sein Interesse gilt den Zusammenhängen,<br />

den großen Linien des Geschehens. Er muss bei seinen Überlegungen<br />

einen Beziehung zum Realen sehen oder fühlen. Die typischen Vertreter dieses Typus<br />

sind Felix Klein, Hermann von Helmholtz und James Clerk Maxwell.<br />

Der J2-Typus geht mit festen Wertmaßstäben und Idealen an die Wirklichkeit heran.<br />

Er sucht das Erkannte zu einem Weltbild zu gestalten. Das Ziel seiner Arbeit ist ein<br />

vollendeter harmonischer Bau. Er liebt die Wahrheit um ihrer Schönheit willen. Die<br />

typischen Vertreter dieses Typus sind Carl Friedrich Gauß, Johannes Kepler und Max<br />

Planck.<br />

Der J3-Typus ist der Typus, dem das Erkennen die Herrschaft über die Dinge vermitteln<br />

soll, der Typus des Willendenkers, wie ihn Jaensch auch nennt. Forscher und Stoff<br />

stehen sich wie zwei Kämpfer gegenüber, die um die Macht ringen. Das Erkennen ist<br />

ein Kampf mit der Wirklichkeit. Hier stehen in der reinen Mathematik die Kritiker,<br />

die Systematiker, die klare Regeln zur Beherrschung des Stoffes herausarbeiten, die die<br />

Grundbegriffe klären und ihre Geheimnisse entkleiden, die den angehäuften Stoff in<br />

einem System zusammenfassen. Karl Weierstraß, Richard Dedekind und David Hilbert<br />

sind die typischen Vertreter des J3-Typus.<br />

Allen diesen Typen war nach Bieberbach gemeinsam, dass sie nicht ungebunden, in<br />

freier Willkür mit ihrem Denken dastehen, sondern dass es ein Gegebenes ist, das sie<br />

gestalten und formen wollen. Dagegen laufen die S-Typen, wie Edmund Landau, Carl<br />

Gustav Jacobi und die französischen Mathematiker von Laplace bis Cauchy, immer<br />

Gefahr, den Zusammenhang mit dem größeren Ganzen zu verlieren.<br />

Bieberbach räumt dem S-Typus ein, dass sie an ihrem Ort nützliche, vielleicht auch<br />

bedeutende Arbeit leisten, allerdings nicht an Schule und Hochschule.<br />

Aus dem Antrieb dieser Integrationstypologie heraus veröffentlichte Bieberbach zusammen<br />

mit Theodor Vahlen (1896-1945) die Zeitschrift Deutsche Mathematik“. Aus<br />

”<br />

deren Einleitung aus dem Jahr 1936, Band 1 stammt folgendes Zitat:<br />

” Deutsche Mathematik gibt ein lebendiges Bild von der gesamten mathematischen Arbeit deutscher<br />

Volksgenossen, [. . . ] wir dienen der deutschen Art in der Mathematik und wollen sie<br />

pflegen.“<br />

Bieberbach hatte es geschafft, eine Definition von deutscher Mathematik zu geben,<br />

die in der nationalsozialisitschen Ideologie wurzelte. Zudem hat er eine Methode geschaffen,<br />

missliebige Kollegen mit wissenschaftlichen“ und nicht nur antisemitischen<br />

”<br />

Argumenten auszuschalten. Damit hat sich Bieberbach, wie auch andere Mathematiker,<br />

sicherlich der gegebenen Situation angepasst. Im Nationalsozialismus wurden<br />

Entscheidungen aus politischen und nichtwissenschaftlichen Gründen getroffen. Viele<br />

akademische Stellen wurden nur aufgrund der politischen Einstellung besetzt. Dies<br />

war sicherlich einer der Gründe wieso Zentren wie Göttingen und Berlin ihr Ansehen<br />

bei Mathematikern außerhalb Deutschlands verloren haben. Weiter konnten einige Mathematiker<br />

nur eine Karriere an einer Universität anstreben, wenn sie sich zuvor zum<br />

Nationalsozialismus bekannten. Ein Beispiel hierfür ist der Tübinger Mathematiker<br />

Helmut Wielandt (1910-2001), der vermutlich nur eine Assistentenstelle an der Universität<br />

Tübingen bekam, weil er in die NSDAP eingetreten war.<br />

Bieberbach war jedoch nicht der einzige Verfechter einer Deutschen Mathematik. Zu<br />

seinen Verbündeten zählten Georg Hammel (1877-1954), W.H. Erhard Tornier (1894-<br />

1982) und der schon erwähnte Oswald Teichmüller (1913-1943).<br />

Es muss jedoch gesagt werden, dass viele Mathematiker die Deutsche Mathematik“<br />

”<br />

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