Rombuch
Rombuch
Rombuch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Johns Rede<br />
Geboren wurde ich, wie Sie vielleicht wissen, im Jahre 1903 in Ungarn. Mein Vater war<br />
ein erfolgreicher Bankier, der sich in der Meritokratie in Budapest einen guten Namen<br />
machte; so gut, dass er ihn im Jahre 1913 mit einem Adelstitel vergoldete; daher auch<br />
der Zusatz: von Neumann.<br />
Mit meinen beiden jüngeren Brüdern wuchs ich in einem jüdischen Haus auf. Jüdisch<br />
zu sein war bei uns schlicht und einfach Tradition; die Religion nahmen wir alle nicht<br />
besonders ernst.<br />
Mir wurde vor dieser Veranstaltung gesagt, dass ich auch einen Schwank aus meiner<br />
Jugend erzählen solle. Ehrlich gesagt war ich nie jemand, der sich mit der Dorfjugend<br />
draußen beim Fußball oder beim Raufen vergnügte. Eher begann ich sehr früh, mich für<br />
logische und abstrakte Strukturen zu interessieren. Schach habe ich auch viel gespielt.<br />
Und ja, Mathematik faszinierte mich stets aufs neue – so stark, dass mein Gymnasiallehrer<br />
für mich einen Universitätsdozenten (Michael Fekete) organisierte, der mich<br />
privat unterrichtete.<br />
Meine Fähigkeiten wurden von meinen Eltern stets gefördert und dafür bin ich ihnen<br />
zu Dank verpflichtet. Allerdings war mein Vater immer gegen das Studium der Mathematik;<br />
man verdiene damit zu wenig, so sagte er.<br />
Daher habe ich ab 1921, dem Wunsch meiner Eltern folgend, Chemieingenieurwesen in<br />
Berlin studiert. Ich habe die Zeit dort genossen und mich an dem Privileg erfreut, Albert<br />
Einsteins Vorlesungen zur statistischen Mechanik beizuwohnen. Und dennoch: Mein<br />
Herz gehörte schon damals der Mathematik. Mehrmals besuchte ich David Hilbert in<br />
Göttingen; ich schätzte stets seine axiomatische Herangehensweise an mathematische<br />
Problemstellungen. Trotz eines Altersunterschiedes von 40 Jahren entstand eine äußerst<br />
fruchtbare Zusammenarbeit, an die ich auch heute noch gerne zurückdenke. Und so<br />
kam es auch, dass ich ein Jahr nach meinem Abschluss als Chemieingenieur von Berlin<br />
und der ETH Zürich (das war im Jahr 1925) den Doktortitel erhielt – in Mathematik,<br />
versteht sich. Ich befasste mich im Rahmen meiner Dissertation erfolgreich mit einer<br />
Axiomatisierung der Mengenlehre. Offiziell war ich mein ganzes Studium über in Budapest<br />
eingeschrieben, aber die meiste Forschungsarbeit leistete ich in Göttingen. Das<br />
Eldorado der Mathematik – hier habe ich auch zum ersten Mal meinen geschätzten<br />
Kollegen Norbert Wiener getroffen. Es war spannend, geradezu aufregend, die Revolution<br />
in der Quantenmechanik um Physiker wie Werner Heisenberg, Max Born und<br />
Pascual Jordan am Ort des Geschehens mitzuerleben. Und sie wissen ja, wie das mit<br />
Physikern so ist. Sie haben außergewöhnliche, einschneidende und brillante Ideen und<br />
doch mangelt es so manchen am Bedürfnis oder an der Fähigkeit der korrekten Formalisierung.<br />
Diesen Part habe ich dann übernommen und ein – so denke ich – wohl<br />
durchdachtes Buch geschrieben, welche wesentliche Objekte und Zusammenhänge der<br />
modernen Quantenmechanik enthält; darunter z.B. Beiträge zur Thermodynamik, zur<br />
Entropie und der Theorie von Dichtematrizen.<br />
Motiviert durch die physikalischen Durchbrüche Mitte der Zwanziger Jahre wandte<br />
ich mich der Funktionalanalysis zu und entwickelte zwischen 1927 und 1929 die<br />
zugehörige mathematische Theorie der linearen unbeschränkten selbstadjungierten<br />
Operatoren auf Hilberträumen. Den Physikern war das gerade recht, denn jetzt war<br />
es auch gerechtfertigt, dass sie sich keine großen Gedanken über den Unterschied von<br />
64