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Rombuch

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Norberts Rede<br />

Geboren wurde ich 1894 in Missouri in den USA. Aber eigentlich muss man sagen, dass<br />

mein Leben schon vorher begann, denn mein Vater hatte bereits vor meiner Geburt auf<br />

einer Pressekonferenz angekündigt, dass er aus mir ein Wunderkind machen wolle.<br />

Seiner Meinung nach ist Erfolg nämlich lediglich das Ergebnis guter Ausbildung und<br />

harter Arbeit. Angeborene Faktoren spielen kaum eine Rolle.<br />

Als ich später die Einstellung meines Vaters kennen lernte, sank mein Selbstbewusstsein<br />

auf einen Tiefpunkt. Denn das bedeutete ja, dass ich gar nichts Besonderes war, sondern<br />

dass es eigentlich nur die Leistung meines Vaters war, dass ich Erfolg hatte. Es dauerte<br />

eine Weile bis ich mich von diesem Schock erholt hatte.<br />

Nun ist es natürlich schwer zu beurteilen, welche Rolle die Gene bei so etwas spielen,<br />

aber zumindest kann man sagen, dass es meinem Vater gelungen ist, aus mir ein<br />

Wunderkind zu machen: Mit 3 Jahren begann ich zu lesen und mit 7 las ich schon<br />

psychiatrische Arbeiten und sogar Darwins Evolutionstheorie. Mit 11 kam ich an die<br />

Uni, machte mit 14 meinen Abschluss und hatte noch vor dem 19. Geburtstag meinen<br />

Doktortitel.<br />

Das klingt jetzt so, als wäre mir immer alles leicht gefallen, aber beim Rechnen zum<br />

Beispiel tat ich mich schwer und nahm noch die Finger zuhilfe, als das schon längst<br />

nicht mehr gern gesehen war. Das kleine Einmaleins lernte ich nicht besonders schnell,<br />

und man kann sagen, dass ich mir überhaupt nichts schnell aneignete, was man rein<br />

mechanisch lernen musste. Andererseits begriff ich Prinzipien und Strukturen ziemlich<br />

schwieriger Vorgänge schon in sehr früher Kindheit.<br />

Mein Vater erkannte, dass die rein mechanische Arbeit mich langweilte und nahm mich<br />

von der Schule um mich nach seinem selbst aufgestellten Lehrplan zu unterrichten.<br />

Der Unterricht lief im Allgemeinen solange gut, bis ich den ersten Fehler machte. Dann<br />

wurde mein lieber Vater zu einem Rachegott. Das erste Warnzeichen war ein scharfes<br />

“WAS?” Und wenn ich dann nicht sofort die richtige Antwort gab, hie es “Nochmal von<br />

vorn!”. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits eingeschüchtert und wenn ich dann noch<br />

meine Antwort “verbesserte” und es erst so richtig schlimm machte, riss meinem Vater<br />

der letzte Geduldsfaden und er beschimpfte mich mit Ausdrücken, die ich hier lieber<br />

nicht wiedergebe. Der Unterricht endete dann oft in einer Familienszene. Mein Vater<br />

tobte, ich weinte und meine Mutter versuchte, mich so gut sie konnte zu verteidigen.<br />

Häufig beruhigte sich mein Vater erst, als die Nachbarn klingelten, um sich über den<br />

Lärm zu beschweren. . .<br />

Ja, mein Vater war schon sehr temperamentvoll, aber ich muss sagen, dass ich viel<br />

von ihm gelernt habe. Mit 9 Jahren war ich schon so weit fortgeschritten, dass ich<br />

in einer gewöhnlichen Elementarschule nichts mehr hätte lernen können. Es blieb<br />

also nichts anderes übrig als mich auf eine High School zu schicken. Ich muss dazu<br />

sagen, dass die High School in den USA ab der 9. oder 10. Klasse beginnt. Meine<br />

Mitschüler waren ca. 7 Jahre älter als ich und kamen mir bereits wie Erwachsene<br />

vor. Sie betrachteten mich als exzentrisches Kind, was es mir nicht leicht machte,<br />

Freundschaften zu schließen. Ich war eigentlich immer ein Außenseiter unter meinen<br />

Klassenkameraden. Das Problem eines Wunderkindes ist ja, dass es halb zur Welt der<br />

Erwachsenen und halb zur Welt der Kinder gehört. Und da mich mein Vater zu Hause<br />

unterrichtet hatte, fehlte mir der Umgang mit Gleichaltrigen. Mir blieb also nichts<br />

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