Rombuch
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line bereit gestellt werden? Glücklicherweise fand unser Experiment nicht während<br />
des Semesters statt – denn Manuskripte und andere Unterlagen sind heutzutage fast<br />
ausschließlich per Internet zugänglich.<br />
Erstaunlich war, dass unsere engen Freunde, welche sowieso viel Zeit mit uns verbringen,<br />
tatsächlich von allein und unangemeldet zu Besuch kamen, und wir nicht<br />
nachts allein in unseren Wohnungen gelangweilt auf den schwarzen Bildschirm starren<br />
mussten, ohne dass dieser etwas von der Außenwelt preis gab. Menschen, die<br />
man sonst nur ab und zu traf, eben weil sie gerade zufällig per Instant Messaging<br />
erreichbar waren, blieben allerdings fern. So konzentrierte sich unsere Nachmittagsbeschäftigung<br />
auf eben die Personen, welche wir wirklich als Freunde (und nicht nur<br />
” Facebook-Friends“) bezeichnen können – unsere lockeren Bindungen zu Bekannten<br />
wurden größtenteils vernachlässigt, weil diese Bekannten eben Menschen sind, die<br />
man nicht extra anrufen würde um sie zu treffen, sich aber trotzdem freut, wenn man<br />
sie irgendwo zufällig sieht. Am Arbeitsplatz fiel es uns ohne private Mails, studiVZ<br />
und ICQ viel leichter konzentriert zu arbeiten. Keine große Überraschung wenn man<br />
bedenkt, dass laut einer Studie (die britische Wochenzeitung The Observer“ berich-<br />
”<br />
tet) verschiedener britischer Universitäten im Schnitt 30 bis 40 mal in der Stunde das<br />
Postfach auf neue Mails überprüft wird und dabei die Hälfte der gesamten Arbeitszeit<br />
verloren geht. Auf einmal hatten wir mehr Zeit für Dinge, die wohl sonst viel zu kurz<br />
kommen – Klavier spielen, Sport, Bücher lesen, Freunde treffen – und schlafen.<br />
Um in dieser Zeit unseres persönlichen Verzichts<br />
nicht ganz untätig zu sein, entschieden<br />
wir uns – wie bereits angedeutet – für<br />
ein gewagte Aktion auf dem Dresdner Weihnachtsmarkt.<br />
Wir wollten nicht nur herausfinden,<br />
was das Internet mit uns ” macht“,<br />
sondern auch, wie viel wir im Internet über<br />
uns selbst preisgeben. Die Diskussion über<br />
den ” gläsernen Menschen“ wirkt fast ironisch,<br />
wenn man bedenkt, wie viel man im Netz über<br />
Fremde erfahren kann – und beängstigend, als<br />
wir herausfinden, wie viel selbst wir von uns<br />
im Internet für alle Welt zugänglich machen.<br />
So trugen wir die persönlichsten und pikantesten<br />
Informationen, die wir auf unseren eigenen<br />
studiVZ-Profilen finden konnten, zusammen<br />
und schrieben sie auf großen Pappplakaten<br />
nieder, um sie im Anschluss über den<br />
gut besuchten Weihnachtsmarkt am Körper zu tragen. Den überraschten Blicken der<br />
Öffentlichkeit ausgesetzt, ernteten wir hier und da ein Lächeln für diese Aktion, andere<br />
starrten kommentarlos auf die Plakate und konnten lesen wie wir heißen, wo wir<br />
wohnen, wann wir Geburtstag haben, was wir studieren, welche Musik wir mögen,<br />
aber teilweise auch welche politischen Ansichten wir haben – Informationen die man<br />
normalerweise niemandem so ungezwungen auf die Nase binden würde. Wir bekamen<br />
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