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Rombuch

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doch richtige Ergebnisse herauskamen, ist nur Eulers überragender Intuition für das<br />

richtige Ergebnis und den geschickten Umgang mit diesen Konstrukten zu verdanken.<br />

Soweit die Situation zum Anfang des 19. Jahrhunderts.<br />

Im 19. Jahrhundert macht man sich nun auf, diesen Makel zu bereinigen und sich<br />

wieder auf die Grundlagen zu besinnen. Cauchy ist es, der in seiner Vorlesung ” Cours<br />

d’Analyse“ 1824 zum ersten Mal Begriffe wie Grenzwert einer Folge, Stetigkeit mittels<br />

Epsilon-Delta-Kriterium und den Differentialquotienten als Grenzwert einführt.<br />

Dieser Fortschritt ist revolutionär in vielerlei Hinsicht. Nicht nur, weil dies schon sehr<br />

moderne Definitionen sind, die teilweise heute noch genau so gelten. Die wirkliche<br />

Genialität liegt darin, dass diese Begriffe damit arithmetisiert und somit (aus heutiger<br />

Sicht) überhaupt erst mathematisiert sind. Man muss sich nicht länger über anschauliche,<br />

sondern kann sich über mathematische Begriffe streiten und Behauptungen mit<br />

mathematischen Mitteln nachrechnen und prüfen.<br />

Auch wenn dies sicherlich ein großer Schritt in die richtige Richtung ist, so ist es<br />

nicht der einzig wichtige. Denn viele weitere Begriffe aus Newtons und Eulers Erbe<br />

benötigen noch weitere Klärung. So schlägt Dirichlet 1828 einen modernen Funktionsbegriff<br />

vor als ” ideale Tabelle“: Funktionen werden nicht länger als ihr Graph oder ihr<br />

analytischer Ausdruck aufgefasst (was eine große Quelle der Verunsicherung eliminiert,<br />

die darin gesehen wurde, dass ein- und dieselbe Funktion durch verschiedene<br />

Ausdrücke darstellbar ist), sondern als gedachte Tabelle, die jedem Ursprungswert<br />

ihren Bildwert zuordnet – nicht mehr und nicht weniger. Dies öffnet aber die Tür zu<br />

neuen Problemen. Plötzlich hält eine ganz neue Art von Funktionen Einzug in die<br />

mathematische Welt – die sogenannten Monsterkurven –, sodass die Verunsicherung<br />

damit noch nicht endgültig beseitigt, sondern nur verschoben wird.<br />

Bevor wir uns aber der letzten Stufe dieser Entwicklung zuwenden, müssen wir<br />

noch einmal kurz an den Anfang des 19. Jahrhunderts springen, denn in anderen<br />

Gebieten legt man Grundlagen, die sich am Ende schließlich mit den eben betrachteten<br />

Entwicklungen zu einer einheitlichen Geschichte verbinden, die uns dann in wenigen<br />

Schritten zu Frege und Russell führen wird.<br />

In den 1820er Jahren beschäftigen sich einige Leute eingehender mit dem Vermächtnis<br />

von Euklid, genauer gesagt mit dem Parallelenpostulat. Seit Euklid versuchen<br />

Mathematiker das Parallelenpostulat aus den anderen Axiomen und Postulaten herzuleiten<br />

und dies auf einen Beweis durch Widerspruch aufzubauen: Angenommen das<br />

fünfte Postulat wäre nicht wahr, könnte man daraus einen Widerspruch ableiten? Es<br />

stellt sich heraus, dass dies nicht passiert! Vielmehr schaffen dadurch die Herren Bolyai<br />

und Lobatschewski alternative Geometrien, die zwar anderen Gesetzen gehorchen,<br />

aber in sich konsistent und vorstellbar sind.<br />

Diese Entdeckungen rufen zwei Tendenzen hervor: Zunächst wird es im 19. Jahrhundert<br />

wieder modern, Axiomensysteme für die Modelle zu entwickeln und zu verwenden.<br />

Dieser Trend wird durch die Fortschritte der formalen Logik noch weiter<br />

verstärkt. Zum Anderen liefern sie auch eine Motivation, jeden mathematischen Begriff<br />

genauer zu hinterfragen, zu definieren und im Zweifel zu axiomatisieren.<br />

Und hier schließt sich letztendlich unser Kreis, denn Ende des 19. Jahrhunderts ist<br />

man dann so weit, anzuerkennen, dass selbst die reellen Zahlen noch einer rigorosen<br />

Grundlegung bedürfen. Es entstehen in den 1870er Jahren gleich drei bedeutende<br />

Axiomatisierungen: von Weierstraß, Dedekind und von Cantor. Vor allem Cantors<br />

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