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Rombuch

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mit lächerlichen 14 Jahren schon von Gott abwandte und behauptete, Atheist zu sein.<br />

Mit 14 Jahren! Und dann deine politische Richtung: linksradikal! Wenigstens ließt du<br />

dir von niemanden reinreden. Du wußtest schon immer, was du wolltest. Auch in<br />

der Mathematik warst du dir so sicher! Wieso nur ausgerechnet Mathematik? Für<br />

die meisten wertlos, ein abseitiges Gedankenspiel, eine Qual, weil ohne Anschauung,<br />

ohne Ziel, ohne Bindung mit einem Leben – aber du konntest dich damit Stunden-<br />

Tage- Wochen beschäftigen, wolltest nicht gestört werden, wurdest unhöflich, wenn<br />

man dich doch störte. Du warst in deiner Welt, wo keiner – vor allem ich – dir folgen<br />

konnte. Du brütetest über deinen Hieroglyphen, die mir immer fremd bleiben werden.<br />

Das war deine Welt.<br />

Meine hingegen, meine Literatur, mein Schreiben, hast du verachtet. Du konntest<br />

nicht verstehen, was mich an Worten und Sätzen so fasziniert. Du sagtest einmal zu<br />

mir: ” Die Beschäftigung mit Literatur sei zu zeitraubend und tauge doch nicht viel,<br />

es bringt die Welt nicht weiter“. Auch erinnere ich mich, dass du ein Manuskript von<br />

mir als Schmierzettel für deine Arbeit benutzt hast. Seine eigenen Welten schaffen, das<br />

Leben um sich herum einfach abzuschalten und seine geheimsten Gedanken ausleben.<br />

Das ist das Schreiben für mich!<br />

Ich beginne langsam zu verstehen, dass die Mathematik die gleiche Bedeutung<br />

für dich hatte wie für mich meine Bücher! Unsere Leidenschaft besteht darin, unsere<br />

Gedanken vom realen Leben in ein irrationales zu führen, wo es keine Schranken<br />

und Zwänge gibt, sondern nur sich selbst. So gesehen hatten wir beide mit unseren<br />

Leidenschaften das gleiche Ziel. Nur leider können wir diese Erfahrungen nun nicht<br />

mehr teilen. Jetzt ist alles zu spät!<br />

Wolfgangs Gedanken<br />

Es ist der 21. Juni 1940. Wir befinden uns in einer Scheune im kleinen französischen Dorf<br />

Housseras in den Vogesen. Ein junger Soldat sitzt in einer dunklen Ecke und ist in Gedanken<br />

versunken. Er hat am Abend zuvor sein Bataillon verlassen, um der Gefangenschaft durch die<br />

deutsche Armee zu entgehen.<br />

” Ich wurde am 17. März 1915 als Sohn des Arztes Alfred Döblin und seiner Ehefrau<br />

Erna, geborene Reiß, geboren. Oktober 1921 wurde ich in die Gemeindeschule eingeschult.<br />

Ostern 1924 trat ich in die Sexta des Königstädtischen Reformrealgymnasiums<br />

ein.“ So begann der Lebenslauf, den ich 1933 für meine Uni-Bewerbung geschrieben<br />

habe.<br />

Ein Krieg erschien mir zu der Zeit noch so unwahrscheinlich. Ich dachte, mein<br />

Vater müsste sich für eine Weile in Zürich verstecken. Dass dann die ganze Familie<br />

nachreiste, empfand ich zuerst als übertriebene Vorsicht. Und vor allem sollte mich<br />

nichts und niemand davon abhalten, mein Abitur zu machen. Sonst wäre mir der<br />

Weg an die Uni verwehrt geblieben. Und dann kurz nachdem ich in Zürich mein<br />

lang ersehntes Studium aufgenommen hatte, mussten wir wieder umziehen. Dieses<br />

Mal nach Frankreich. Aber im Nachhinein war das eine große Chance für mich. Hier<br />

konnte ich im Oktober 1933 mein Studium fortsetzen. Ich dachte, Mathematik und<br />

Volkswirtschaft wäre das Richtige für mich – zumindest so lange, bis ich als Wahlfach<br />

die Statistikkurse von Georges Darmois belegte. Ich war vom Zufall fasziniert. Ich<br />

wollte ihn verstehen, berechnen und vielleicht sogar irgendwann bezwingen können.<br />

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