Rombuch
Rombuch
Rombuch
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kritik von einigen Menschen, die uns mitteilten, es wäre verantwortungslos so viel von<br />
sich in der Öffentlichkeit kund zu tun. Und von vielen Passanten erfuhren wir im Gespräch<br />
sogar von persönlichen Erfahrungen und hörten teils unglaubliche Geschichten<br />
im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken – so berichtete uns eine ältere Frau von<br />
ihrer Enkelin, welche aufgrund einer unbedacht veröffentlichen Information in einem<br />
sozialen Netzwerk für Schüler so sehr schikaniert wurde, dass nur ein Schulwechsel das<br />
Problem lösen konnte. Ein anderes Pärchen, welches sich tatsächlich über das Internet<br />
kennenlernte, konnte über unsere Aktion nur schmunzeln. Die Reaktionen zeigten uns<br />
aber im Großen und Ganzen, dass sich sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten<br />
Altersgruppen dieser Problematik bewusst sind. Etwas geschockt wirkte eine junge<br />
Frau, welche wir ohne Vorwarnung nur nach ihrem Namen und ihrem Alter fragte –<br />
etwas gereizt teilte sie uns mit, sie würde nie einem Fremden Fragen dieser Art auf<br />
offener Straße beantworten. Eine ernst gemeinte Entschuldigung und Erklärung später<br />
musste sie jedoch zugeben, sowohl diese Daten und sogar ihre Adresse, mehrere Fotos<br />
von sich selbst, ihre ICQ-Nummer und weitere private Informationen im studiVZ<br />
veröffentlicht zu haben. Und dort kann sie (sofern man es nicht anders einstellt) von<br />
jedem eingesehen werden. Ohne das man es mitbekommt, oder überhaupt gefragt wird.<br />
Auch die Antworten vieler anonymer Umfrageteilnehmer warteten auf unserem Webserver.<br />
Es gab keine großen demografischen Überraschungen – die Ergebnisse entsprachen<br />
größtenteils unserem eigenem Umgang mit dem Internet beziehungsweise<br />
dem angenommenem Verhalten der breiten Masse. Ein unerwartetes Ausmaß nahm<br />
hingegen der Part ein, in welchem wir den Teilnehmenden die Möglichkeit geboten<br />
hatten, persönliche Einschätzungen in Prosatext zu hinterlassen. So zum Beispiel eine<br />
17-jährige, die sich wünscht, die Leute würden wieder mehr raus gehen. Ein 36-jähriger<br />
ist sich sicher, dass die Weltwirtschaft ohne Internet zusammenbrechen wird. Eine Frau<br />
beichtet, sich selber beim Ausspionieren von ehemaligen Freunden oder Ex-Freunden<br />
erwischt zu haben. Eine andere gesteht das Internet gruselig zu finden, da es ihr unkontrollierbar<br />
scheint. Ein 17-jähriger meint, dass Internet ist die beste Erfindung der<br />
Menschheit, eine 19-jährige: ” Es ist ein wichtiger Teil meines Lebens geworden.“<br />
Was bleibt? Nach den tollen Diskussionen und Anregungen nach unserem Vortrag,<br />
den vielen persönlichen Eindrücken und den Schilderungen anderer Personen sind<br />
wir keine ” Feinde“ des Internets geworden. Wir sind keine fanatischen Kritiker und<br />
haben unsere studiVZ-Profile nicht gelöscht, aber verändert. Wir sind uns stärker der<br />
Folgen bewusst, welche unser Umgang mit den uns gegebenen Möglichkeiten dieses<br />
digitalen Zeitalters haben kann. Und wir haben diese Möglichkeiten zu schätzen gelernt.<br />
Unsere Kommunikation mit Instant Messagern wie ICQ oder Skype haben wir<br />
stark eingeschränkt – auf Arbeit bleibt es ganz aus. Wir haben festgestellt, wie sehr wir<br />
uns von unwichtigen Dingen ablenken ließen und dabei auch gelernt, dass ” Multitasking“<br />
in der von den Medien propagierten Form nicht existiert. Wir haben erfahren<br />
dürfen, dass ein Leben ohne Internet tatsächlich möglich ist, das Internet dieses aber<br />
auf viele verschiedene Weisen bereichern kann, solange man nur bewusst mit diesem<br />
Medium umgeht, welches unsere Gesellschaft bereits zweifellos verändert hat. Hier ist<br />
sicher noch einiges an Arbeit und Aufklärung notwendig.<br />
82