Rombuch
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dass ich Deutscher bin. Ich habe immer behauptet, ich bin Elsässer um meinen Dialekt<br />
zu erklären.<br />
Ständig wurde meine Einheit versetzt. Die Unterbringung war manchmal katastrophal.<br />
Und doch gelang es mir zwischen November 1939 und Februar 1940 meine<br />
Arbeit ” Sur l’équation de Kolmogoroff“ aufzuschreiben und am 19. Februar konnte<br />
ich sie in einem versiegelten Umschlag an die Akademie der Wissenschaften in Paris<br />
schicken. Ich habe diese Arbeit mit meinem richtigen Namen unterschrieben, obwohl<br />
ich mich seit wir in Frankreich sind Vincent Doblin nenne, um keine Aufmerksamkeit<br />
zu erregen. Ich befürchte allerdings, dass sie dort nie angekommen ist. Wer wird den<br />
Umschlag am Ende öffnen?<br />
Wo meine Eltern wohl gerade sind? Ob es ihnen gut geht? Seit einiger Zeit habe ich<br />
nichts mehr von ihnen gehört. Ich hoffe, es geht ihnen gut.<br />
Noch vor wenigen Tagen saß ich bei einer netten französischen Familie in der<br />
Küche und habe ihnen die Wahrheit über meine Herkunft erzählt. Das sind die ersten<br />
seit Anfang meines Wehrdienstes, denen ich es erzählt habe. Und ich habe ihnen auch<br />
anvertraut, dass ich immer eine letzte Patrone bei mir habe. . . niemals werde ich mich<br />
von den Deutschen gefangen nehmen lassen! Aber ich habe eigentlich immer gehofft,<br />
dass ich sie nie brauchen würde. Ein paar Papiere habe ich noch bei mir, die muss ich<br />
noch verbrennen. Keiner soll wissen, wer ich wirklich bin!<br />
Nach dieser Reflexion über sein Leben geht Wolfgang in die Küche des angrenzenden<br />
Bauernhauses und verbrennt alle Papiere, die er bei sich hat. Dann kehrt er zurück in die<br />
Scheune und erschießt sich.<br />
Er wird als unbekannter Soldat auf dem Friedhof von Housseras begraben. Erst 1944 wird er<br />
exhumiert und aufgrund seiner Brille und eines Armreifes identifiziert.<br />
Alfreds Leben geht weiter<br />
1940-45: Nach abenteuerlicher Flucht durch Frankreich entkommt Döblin mit seiner<br />
Frau und dem jüngsten Sohn Stefan über Marseille, Barcelona, Madrid nach Lissabon.<br />
Von dort Überfahrt nach Amerika, wo sich die Familie im kalifornischen Hollywood<br />
niederläßt, und Alfred für ein Jahr als Scriptwriter für die Filmgesellschaft Metro Goldwyn<br />
Mayer arbeitet. Nach Ablauf des Vertrages erhält er eine Zeitlang Arbeitslosenunterstützung<br />
und ist dann von Zuwendungen aus dem ” Writers Fund“ abhängig.<br />
1941: Alfred, Erna und Stefan Döblin konvertieren zum katholischen Glauben. Geheimhaltung<br />
dieses Schrittes bis 1945. Durch die Andeutung seiner religiösen Neuorientierung<br />
auf der Feier zu seinem 65. Geburtstag im August 1943 löst er bei seinen<br />
Freunden und Kollegen Irritationen aus und verstärkt seine Isolation.<br />
1945: Rückkehr nach Paris im Oktober. Besuch in Housseras, wo Alfred und Erna<br />
Döblin nach eigenen Nachforschungen und Gesprächen mit den Bewohnern vom<br />
Selbstmord ihres Sohnes Wolfgang erfahren. Jedoch bleiben sie immer bei der Aussage,<br />
dass Wolfgang bei einem Patrouillengang erschossen wurde. Erna betreibt regelrecht<br />
einen Kult um Wolfgangs Person. Ihr ist es sehr wichtig, dass Wolfgang für Frankreich<br />
gestorben ist. Auf seinem Grabstein heißt es ” mort pour la France“. Durch Vermittlung<br />
des französischen Germanisten Ernest Tonnelat wird Döblin französischer Kulturoffizier<br />
in Baden-Baden. Rückkehr nach Deutschland am 9. November.<br />
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