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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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118 verNeTZuNg, KooPerATIoN uNd ForTBILduNg<br />

verNeTZuNg uNd KooPerATIoN 119<br />

Ganz klar ist auch, dass aus sicht der Fachberatungsstellen die Gefahr besteht, dass<br />

ihre arbeit sowie die Betroffenen selbst im interesse der strafverfolgung instrumentalisiert<br />

werden. durch fehlende humanitäre regelungen in der deutschen Gesetzgebung<br />

wird diese instrumentalisierung noch vertieft; so dürfen sich beispielsweise<br />

ausreisepflichtige Opfer von Menschenhandel aus so genannten drittstaaten<br />

nur erlaubt im Bundesgebiet aufhalten 177 , wenn sie mit den strafverfolgungsbehörden<br />

kooperieren und nur solange, wie sie als Zeuginnen für die strafverfolgung<br />

benötigt werden. Wird das Verfahren eingestellt bzw. ist es beendet oder wird die<br />

anwesenheit der Zeugin im Bundesgebiet für nicht erforderlich gehalten, wird sie<br />

ausreisepflichtig und muss deutschland verlassen.<br />

diese spannungsfelder existieren also real und bergen Konfliktstoff in der Praxis.<br />

dennoch kann folgende einschätzung nach heutigem stand der erkenntnisse<br />

getroffen werden: Kooperationsvereinbarungen sind ein gutes instrument für die<br />

Zusammenarbeit zwischen Polizei und Fachberatungsstellen, sofern sie gemeinsam<br />

entwickelt, kontinuierlich evaluiert und Konflikte offen besprochen werden.<br />

das instrument von Kooperationsvereinbarungen nach dem Vorbild deutschlands<br />

wird auch im internationalen Kontext mit großem interesse aufgenommen.<br />

3. spannungsfelder bei der Vernetzungsarbeit von nGos<br />

nGOs wie der <strong>KOK</strong> und seine Mitgliedsorganisationen sind bei der lobby- und<br />

Vernetzungsarbeit unterschiedlichen spannungsfeldern ausgesetzt, die im Folgenden<br />

kurz skizziert werden sollen.<br />

Wenngleich nGOs Mitte der 90iger Jahre eine politische aufwertung erfahren<br />

haben und ihre expertise heute weitgehend anerkannt wird, ergeben sich im Zusammenwirken<br />

mit staatlichen stellen immer wieder Zielkonflikte. so zeigt sich<br />

sowohl in der Gesetzgebung als auch bei geförderten unterstützungsmaßnahmen<br />

für Betroffene von Frauenhandel, dass diese letztlich weniger aus humanitären<br />

Gründen getroffen werden, sondern dem strafverfolgungsinteresse des staates<br />

dienen. auch wenn der <strong>KOK</strong> und seine Mitgliedsorganisationen kontinuierlich<br />

eine Verankerung humanitärer sichtweisen sowohl in der Gesetzgebung als auch<br />

beim umgang staatlicher stellen mit Betroffenen des Frauenhandels einfordern,<br />

ist dieses Ziel noch längst nicht erreicht und in mancherlei hinsicht wirkt es wie<br />

eine utopie.<br />

demgegenüber benötigt die durchsetzung menschenrechtlich wirksamer politischer<br />

und praktischer Veränderungen ein hohes Maß an Kontinuität und Präsenz<br />

der nGOs. die ressourcen für diesen und andere Bereiche (wie z. B. die Beratungsarbeit<br />

für Betroffene selbst) sind jedoch meist äußerst knapp bemessen, da<br />

die finanzielle ausstattung der Fachberatungsstellen in vielen Bundesländern unzureichend<br />

ist. Kaum eine der Fachberatungsstellen verfügt über eine regelfinanzierung,<br />

die Planungssicherheit für mehrere Jahre zulässt. im politischen raum ist<br />

zwar die Fachexpertise der Fachberatungsstellen häufig anerkannt, dennoch muss<br />

zum teil sogar jährlich ein nervenaufreibender und ressourcenfressender Kampf<br />

um die finanzielle absicherung der arbeit geführt werden. außerdem bestehen<br />

teilweise Bestrebungen der öffentlichen Mittelgeber, die aufgabenfelder der Fach-<br />

177 Gem. § 25 abs. 4a aufenthaltsgesetz<br />

beratungsstellen auf die »bloße Beratungsarbeit« zu beschränken. Gerade aber die<br />

Vernetzungsarbeit sowie aufbau und Pflege interdisziplinärer Kooperationen sind<br />

Voraussetzungen, um letztlich die Beratungsarbeit unter vernünftigen rahmenbedingungen<br />

ausüben zu können. außerdem ist Frauenhandel kein gleichförmiges<br />

»Phänomen«, auf das mit immer gleichen Maßnahmen reagiert werden kann. es<br />

handelt sich um ein sich ständig veränderndes Gewalt- und Kriminalitätsfeld,<br />

dem im Opferschutzbereich mit umsteuerungen und flexiblen Maßnahmen begegnet<br />

werden muss. so braucht beispielsweise die erkenntnis, dass seit der euerweiterung<br />

betroffene Frauen immer seltener anlässlich polizeilicher Maßnahmen<br />

als Betroffene identifiziert werden, völlig neue ansätze, um Zugangswege zu<br />

den Betroffenen zu erschließen (z. B. durch aufsuchende arbeit in der Prostitution,<br />

Freiersensibilisierung etc.). auch die einführung des straftatbestandes Menschenhandel<br />

zum Zweck der ausbeutung der arbeitskraft (§ 233 stGB) muss aus<br />

Opferschutzsicht zum aufbau neuer Kooperationen führen (z. B. unter einbeziehung<br />

der Bundespolizei, der Zoll- und Finanzämter etc.).<br />

deutschland hat sich mit der ratifizierung verschiedener Konventionen und<br />

eu-instrumente zur einhaltung verschiedener Menschenrechtsstandards und zur<br />

umsetzung entsprechender Maßnahmen verpflichtet. dazu gehört auch, den Bereich<br />

Opferschutz nachhaltig zu stärken. diese Verpflichtung tritt jedoch gerade<br />

in Zeiten knapper haushaltskassen gern in den hintergrund. nGOs werden daher<br />

immer wieder für die einhaltung festgelegter standards kämpfen und den ausbau<br />

entsprechender Maßnahmen vorantreiben müssen.<br />

Jedoch müssen auch die nGOs eine kritische auseinandersetzung mit ihrer<br />

rolle im gesellschaftspolitischen Miteinander führen. so existiert ein reales spannungsfeld<br />

zwischen der gewollten autonomie von nGOs und deren abhängigkeit<br />

von staatlicher Förderung, die jeweils auch mit Zielsteuerungen durch die Mittelgeber<br />

verbunden ist.<br />

»Kooperation ist der schlüssel« – so lautete ein Fazit der bereits erwähnten Klausurtagung<br />

des Jahres 2006. im rahmen der Kooperation und Vernetzung hat der<br />

<strong>KOK</strong> viel erreicht. Jedoch gibt es nach wie vor handlungsbedarf, um für Betroffene<br />

von Frauenhandel bestmögliche unterstützung leisten zu können. so müssen<br />

auf dem Weg von lobbyarbeit, Kooperation und Vernetzung weiter folgende Ziele<br />

verfolgt werden:<br />

• Verbesserung der Konzepte gegen Frauenhandel im internationalen raum,<br />

• Verankerung humanitärer regelungen in der deutschen Gesetzgebung und<br />

im umgang mit den Betroffenen von Frauenhandel,<br />

• ganzheitliche Konzepte zur Bekämpfung des Frauenhandels und einem<br />

angemessenen Opferschutz in den jeweiligen ländern, z. B. durch die<br />

einrichtung von Fachkommissionen, Kooperationsvereinbarungen,<br />

spezialermittlungsstellen mit angegliederten Opferschutzmaßnahmen sowie<br />

ausreichende Maßnahmen zur humanitären unterstützung Betroffener,<br />

• ausreichende absicherung der arbeit der Fachberatungsstellen.<br />

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