FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK
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84 PrAXIS<br />
MISSBrAuCH voN Au-PAIr-verHÄLTNISSeN 85<br />
• es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit Betroffene von<br />
arbeitsausbeutung ihre ausbeuterinnen und ausbeuter anzeigen130 , ohne<br />
angst vor negativen Konsequenzen, wie auf enthaltsbeendigung und<br />
strafe wegen fehlender arbeitserlaubnis, haben zu müssen. die auf klärung<br />
der Betroffenen über ihre rechte ist eine Pflicht des staates131 . dies müsste<br />
mit landes sprachlichen, tätigkeitsspezifischen Broschüren und<br />
mehrsprachigen info-hotlines geschehen.<br />
• der aufbau eines netzwerkes analog zu den Kooperationskonzepten im<br />
Bereich sexueller aus beutung ist notwendig. relevante akteure im Bereich<br />
der arbeitsausbeutung sind unter anderem auch die ermittelnden<br />
Zollbehörden, die Ordnungsämter, Gewerkschaften, arbeitsämter.<br />
Opfer von arbeitsausbeutung sind oft entwürdigenden und unmenschlichen Behandlungen<br />
ausgesetzt. sie kämpfen um ihre nackte existenz. sie brauchen unsere<br />
unterstützung. die Gesellschaft und auch die Politik müsen für diese Probleme<br />
sensibilisiert werden. die Beweggründe, die hinter der arbeitsmigration der<br />
Frauen stehen, führen dazu, dass sie sich oft auf derart prekäre arbeitsverhältnisse<br />
einlassen. die Motivation, auch in solch schwierigen arbeitsverhältnissen zu bleiben,<br />
wird häufig durch familiäre Verpflichtungen der Frauen im herkunftsland<br />
verstärkt. dies wird durch die arbeitsvermittlerlnnen geschickt genutzt.<br />
Von Polizei und Justiz wird mehr der illegale aufenthalt oder die illegale arbeitsaufnahme<br />
verfolgt und die »schwarzarbeit« geahndet. ein interesse, das sich<br />
die Opfer als Zeuginnen zur Verfügung stellen, besteht selten. auch von seiten<br />
der Gewerkschaften wird wenig gegen die ausnützung dieser arbeitnehmerinnen<br />
getan. sie sehen es nicht als ihre aufgabe an, Migrantinnen in irregulären arbeitsverhältnissen<br />
zu unterstützen. doch das recht auf auszahlung des lohnes,<br />
unabhängig vom aufenthalts- und arbeitsstatus, könnte ein ansatzpunkt für<br />
Gewerkschaften sein, sich für die Opfer der arbeitsausbeutung einzusetzen. sensibilisierung,<br />
austausch und Bildung von netzwerken könnten helfen, neue Wege<br />
und Möglichkeiten der unterstützung für Opfer von arbeitsausbeutung zu finden<br />
und zu etablieren.<br />
literatur:<br />
_ münchner abendzeitung v. 17.01.2008, titelbericht<br />
_ süddeutsche zeitung v. 21.01.2008, Münchner teil<br />
_ cyrus, norbert: Menschenhandel und arbeitsausbeutung in deutschland IAO Genf 2006<br />
_ spiess, katharina : die Wanderarbeitnehmerkonvention der Vereinten nationen – ein<br />
instrument zur stärkung der rechte von Migrantinnen und Migranten in deutschland,<br />
deutsches institut für Menschenrechte (hrg.), Berlin 2007<br />
130 cyrus, 2006<br />
131 spiess, 2007<br />
Barbara Eritt<br />
MIssbRaucH Von au-PaIR-VERHältnIssEn als EInE<br />
FoRM Von MEnscHEnHandEl<br />
»Was wir bislang gehört haben klingt nicht nach super-nanny« 132 , konstatierte ein<br />
richter nach dem ersten Verhandlungstag am amtsgericht Bad Kissingen. Mitte<br />
Juni 2008 wurde dort eine Gastmutter wegen Menschenhandel angeklagt und<br />
nach zwei Prozesstagen für schuldig befunden. die angeklagte Gastmutter wurde<br />
zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, auf vier Jahre Bewährung ausgesetzt, verurteilt.<br />
Zusätzlich musste die Frau 3000,- euro an den Weißen ring 133 entrichten. an ihr<br />
au-pair-Mädchen, dass sie zwei Jahre lang als billige arbeitskraft im haushalt und<br />
bei der hundezucht (die Gastmutter betreibt eine hundezucht mit 60 bis zeitweise<br />
ca. 100 hunden) ausgebeutet hat, muss sie 4500,- euro zahlen.<br />
die verurteilte Frau hat zwei au-pair-Mädchen aus der Mongolei mehr als zwei<br />
Jahre lang als billige arbeitskräfte missbraucht. die au-pair-Mädchen haben entgegen<br />
allen regeln eines normalen au-pair-aufenthaltes von morgens bis abends<br />
gearbeitet. eine der jungen Frauen sagte aus, dass sie jeden tag um sechs aufstehen<br />
musste. sie bekam einen Zettel mit aufgelisteten arbeiten für den ganzen tag.<br />
Zeit für sich hatte sie nicht. an einen deutschkurs war bei dem arbeitspensum<br />
ebenfalls nicht zu denken. sie hatte große angst »vor diese Frau«. die Gastmutter<br />
behielt sogar die Pässe der Frauen ein, wodurch diese dann in eine noch größere<br />
abhängigkeit gerieten. die au-pair-Mädchen wurden in diesem haushalt als tierpflegerin,<br />
haushaltshilfe/Putzfrau und Kindermädchen monatelang missbraucht.<br />
dieses Beispiel ist leider kein einzelfall.<br />
es soll hier noch an den traurigen Fall 134 einer rumänin erinnert werden, die<br />
als au-pair Mädchen nach deutschland eingeschleust wurde und unter sklaverei<br />
ähnlichen Verhältnissen für umgerechnet 40 cent pro stunde von 6 bis 23 uhr geschuftet<br />
hat. das Mädchen hat die ausbeutung, schikanen und die schutzlosigkeit<br />
bzw. dass sie der Familie vollkommen ausgeliefert war nicht ausgehalten. den ausweg<br />
aus ihrer isolation sah sie im selbstmord. sie erhängte sich. die Gastmutter<br />
wurde zu haftstrafen in zwei tatkomplexen verurteilt: ein Jahr und acht Monate<br />
für Betrug und illegale einschleusung und zu einem Jahr haftstrafe wegen Körperverletzung.<br />
Beide strafen setzte das Gericht zur Bewährung aus.<br />
damals kritisierte der richter, »dass eine gesetzliche regelung fehle, die aupair<br />
Mädchen vor ausbeutung schütze, da hier kein normales arbeitsverhältnis<br />
vorliege« 135 .<br />
eine regelung für au-pair Beschäftigung, die durchaus in der Praxis von seriösen<br />
Vermittlungsagenturen beachtet wird, gilt in deutschland seit beinahe 30<br />
Jahren.<br />
das vom europarat 1969 verabschiedete »Europäische Abkommen über die Aupair-Beschäftigung«<br />
ist von der Bundesrepublik deutschland zwar nicht bestätigt<br />
worden und hat somit hier keinen rechtscharakter angenommen. doch die wesentlichen<br />
Kriterien dieses abkommens sind aber auch in der Bundesrepublik<br />
132 www.mainpost.de vom 19.06.2008<br />
133 bundesweite hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer und ihre Familien,<br />
1976 in Mainz ins leben gerufen, www.weißer-ring.de<br />
134 taz 23.11.2004, www.taz.de/archiv<br />
135 spiegel Online 3.02.2004 www.spiegel.de<br />
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