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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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52 reCHTSLAge<br />

reCHTLICHe gruNdLAgeN deS PHÄNoMeNS FrAueNHANdeL 53<br />

da ein ausbeuterisches arbeitsverhältnis im sinne der Vorschrift Merkmale der<br />

Zwangsarbeit erfüllt, können als abgrenzungshilfe zu anderen, schlechten arbeitsverhältnissen<br />

entsprechende Kriterien übernommen werden. 77<br />

hierzu gehören:<br />

• androhung von Gewalt oder tatsächlicher ausübung von physischer Gewalt<br />

gegenüber der arbeitnehmerin;<br />

• einschränkung der Bewegungsfreiheit oder Zurückhalten am arbeitsplatz<br />

oder in einem eingegrenzten Bereich;<br />

• schuldknechtschaft;<br />

• Vorenthalten des arbeitslohns oder überzogene lohnkürzungen, die gegen<br />

die vorher getroffene Vereinbarung verstoßen;<br />

• einbehalten von Pässen und ausweispapieren, so dass der arbeitnehmer<br />

nicht weggehen oder seine identität oder seinen aufenthaltstatus belegen<br />

kann;<br />

• drohung, den arbeitnehmer bei den Behörden zu denunzieren, wenn er<br />

einen irregulären aufenthaltsstatus hat, um die Person zu nicht freiwilliger<br />

arbeit oder erbringung von dienstleistungen zu zwingen;<br />

• ausnutzen einer Zwangslage oder eine auslandsspezifische hilflosigkeit.<br />

2.3 eine Zwangslage oder auslandsspezifische hilflosigkeit wird ausgenutzt, wenn<br />

die schwierige lage der Betroffenen das Vorhaben des täters ermöglicht, oder jedenfalls<br />

begünstigt und dies auch bewusst als Faktor einkalkuliert wird. 78<br />

2.3.1 unter Zwangslage wird nicht nur eine ernste wirtschaftliche, sondern<br />

auch eine persönliche Bedrängnis verstanden. dies kann ein drohender wirtschaftlicher<br />

ruin, Wohnungslosigkeit, u. u. auch Krankheit oder eine persönliche<br />

ausnahmesituation – wie scheidung oder arbeitslosigkeit – sein. es kommt darauf<br />

an, dass die persönliche ausnahmesituation mit einer wesentlichen einschränkung<br />

der entscheidungs- und handlungsmöglichkeit verbunden ist und damit die<br />

Gefahr anhaftet, den Widerstand der Betroffenen gegen angriffe auf ihre persönliche<br />

entscheidungsfreiheit herabzusetzen. situationen, die die tat nur allgemein<br />

begünstigen oder ermöglichen, sind nicht ausreichend. allerdings kommt es nicht<br />

darauf an, ob die lage selbst verschuldet ist oder nicht. 79<br />

2.3.2 Bei der »auslandsspezifischen hilflosigkeit« kommt es auf die konkrete<br />

lage und die persönliche Fähigkeit der Betroffenen an. auslandspezifische hilflosigkeit<br />

setzt voraus, dass die Betroffene aufgrund der spezifischen schwierigkeiten<br />

des auslandsaufenthaltes nach ihren persönlichen Fähigkeiten und den konkreten<br />

umständen nicht oder nur wesentlich eingeschränkt in der lage ist, sich der Verbringung<br />

in eines der ausbeuterischen arbeitsverhältnisse zu widersetzen oder daraus<br />

zu befreien.<br />

auf die ausnutzung einer Zwangslage oder hilflosigkeit kommt es nicht an,<br />

wenn die Betroffenen unter 21 Jahre sind. hier reicht die Verbringung in sklaverei,<br />

leibeigenschaft, schuldknechtschaft oder ein ausbeuterisches arbeitsverhältnis.<br />

77 ilO 2005 a: human trafficking and forced labour exploitation: Guidance for legislation and law enforcement , Genf 2005; sarah<br />

schwarze, Menschenhandel zum Zweck der ausbeutung der arbeitskraft, september 2007 <strong>KOK</strong>. seite 13<br />

78 eisele in schönke /schröder, stGB, 27. auflage, § 233 rn. 10 f.; tröndle/Fischer, § 232 rn. 12 f.<br />

79 trödle/Fischer, § 232 rn. 9, eisele in schönke /schröder, § 233 rn. 10<br />

hinsichtlich von Qualifizierungstatbeständen verweist die Vorschrift des § 233 abs.<br />

3 stGB auf § 232 abs. 3 bis abs. 5 stGB. danach wird die Mindeststrafe auf ein Jahr<br />

erhöht, wenn es sich bei dem Opfer um ein Kind, oder die Betroffene körperlich<br />

schwer misshandelt oder in todesgefahr gebracht wird. die erhöhte Mindeststrafe<br />

gilt auch, wenn der täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt.<br />

der gesetzliche tatbestand sieht ebenfalls eine herabsetzung der Mindest- und<br />

höchststrafe in Fällen des minderschweren Falls vor.<br />

3. Förderung des Menschenhandels gem. § 233 a StGB 80<br />

die Vorschrift stellt konkrete, typische Beihilfehandlungen selbständig unter strafe.<br />

81 unter Vorschubleisten ist das schaffen von Bedingungen zu verstehen, die die<br />

tat des § 233 ermöglichen. das Vorschubleisten kann nur dadurch erfüllt werden,<br />

dass das spätere Opfer angeworben, befördert, weitergegeben, beherbergt oder aufgenommen<br />

wird.<br />

auch hier führen Qualifikationsmerkmale zu einer erhöhten strafandrohung.<br />

die Vorschrift des § 233 a stGB stellt einen auffangtatbestand der §§ 233, 232<br />

stGB dar. handlungen, die den Menschenhandel fördern, lassen sich in der regel<br />

bereits als Mittäterschaft oder als Beihilfe zum Menschenhandel erfassen.<br />

einen eigenständigen anwendungsbereich hat die Vorschrift in Fällen, in denen<br />

die haupttat das Versuchsstadium noch nicht erreicht hat und damit nach den<br />

allgemeinen regeln mangels haupttat auch eine Beihilfehandlung hierzu nicht<br />

möglich wäre oder in Fällen, in den eine Beihilfe nur versucht wurde.<br />

V. anwendung der Vorschriften in der Praxis<br />

nach der Polizeistatistik des Bundeskriminalamtes (BKa) (Bericht 2007) hat es<br />

92 erfasste Fälle von Menschenhandel zum Zwecke der ausbeutung der arbeitskraft<br />

gem. § 233 stGB gegeben. in der Fachpresse sind aber bislang keine Veröffentlichungen<br />

entsprechender urteile, die auf § 233 stGB basieren, zu finden. lediglich<br />

vereinzelt werden in der sonstigen Presse über Fälle des Menschenhandels<br />

zur arbeitsausbeutung berichtet. Betroffen sind in der regel Wanderarbeiter, die<br />

in der saisonarbeit eingesetzt werden. Betroffen waren insbesondere polnische<br />

und rumänische Wanderarbeitnehmer im bayrischen raum. in einem bekannt<br />

gewordenen Fall wurde der angeklagte vom Vorwurf des Menschenhandels freigesprochen,<br />

da es bei der saisonalen Beschäftigung zu keiner »wirklich längerfristigen<br />

abhängigkeit« zwischen dem Plantagenbetreibern und seinen erntehelfern<br />

gekommen sein soll.<br />

in einem weiteren Fall, in dem ein angeklagter zu 3 Jahren 3 Monaten ohne Bewährung,<br />

ein weiterer zu 2 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden, lässt sich den<br />

Pressemeldungen nicht entnehmen, ob tatsächlich eine Verurteilung gem. § 233<br />

stGB oder wegen anderer damit ebenfalls erfüllter straftatbestände stattgefunden<br />

hat.<br />

es lässt sich feststellen, dass auch nach 2 Jahren seit der einführung des straftatbestandes<br />

die Gerichte in der Praxis § 233 stGB nicht anwenden, sondern eher<br />

wegen anderer delikte wie § 291 abs. 1 nr. 1, nr. 3 stGB (Wuchertatbestand),<br />

80 Gesetzestext im serviceteil<br />

81 schroeder nJW 2005, s.1396; renzikowski JZ, 2005, s.882; eisele in schönke/schröder, § 233a nr.2ff<br />

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