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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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66 PrAXIS<br />

MeNSCHeNHANdeL <strong>IN</strong> dIe SeXueLLe AuSBeuTuNg 67<br />

Kapitel 4<br />

PrAXIS<br />

EInlEItunG<br />

Frauenhandel ist ein sehr komplexes und vielschichtiges Phänomen, das verschiedene<br />

Bereiche betreffen kann. seit aufkommen des themas in der öffentlichen und<br />

politischen debatte gab es nicht nur im rechtlichen Bereich Veränderungen. auch<br />

die Fachberatungsstellen sahen sich in der Praxis immer neuen Veränderungen gegenüber,<br />

sei es durch die praktischen auswirkungen der rechtlichen Änderungen,<br />

wie beispielsweise der in Kapitel 3 beschriebenen erweiterung des straftatbestands<br />

Menschenhandel, oder durch gesellschaftliche und politische umbrüche, wie die<br />

eu- Osterweiterung. in diesem Kapitel sollen nun die erfahrungen und sicht der<br />

Praxis wiedergegeben werden. auch wenn, wie im vorigen Kapitel dargestellt, im<br />

rechtlichen Bereich rahmenbedingungen geschaffen wurden, die die komplexe<br />

Problematik besser erfassen und Betroffenen zugute kommen sollen, sieht die<br />

umsetzung in der Praxis oft ganz anders aus. Betroffene befinden sich nicht selten<br />

in einer zwiespältigen situation, sind sie doch einerseits Opfer einer straftat<br />

während sie sich andererseits durch aufenthaltsrechtliche Verstöße oder illegale<br />

arbeit selbst strafbar gemacht haben. auch politische transformationsprozesse,<br />

wie die eu-Osterweiterung, stellen die Fachberatungsstellen bei der Beratung von<br />

Betroffenen vor neue herausforderungen. die situation, in der sich Betroffene<br />

des Menschenhandels in deutschland befinden wird nun in diesem Kapitel dargestellt.<br />

dabei werden die verschiedenen Bereiche, in die Frauenhandel erfolgen<br />

kann, gesondert dargestellt, um die jeweilige spezifische Problematik erfassen zu<br />

können. da Menschenhandel in die sexuelle ausbeutung als straftatbestand schon<br />

vor der erweiterung des straftatbestands Menschenhandel auf den Bereich der arbeitsausbeutung<br />

existierte und auch die meisten Fachberatungsstellen seit ihrem<br />

entstehen mit diesem thema gearbeitet haben, beginnt das Kapitel mit dieser erscheinungsform<br />

des Phänomens. als weiteres wichtiges thema, das viele Fachberatungsstellen<br />

aktuell beschäftigt, wird anschließend Menschenhandel zum Zweck<br />

der arbeitsausbeutung behandelt. um die gesamte Komplexität von Frauenhandel<br />

zu erfassen, werden auch Problemfelder im Zusammenhang mit spezifischen<br />

Formen des Frauenhandels dargestellt. hierbei spielen insbesondere handel in die<br />

ehe, Menschenhandel bei bzw. ausbeutung von au-Pairs sowie die spezielle situation<br />

von hausangestellten von diplomatinnen eine rolle. da jede dieser ausprägungen<br />

des Frauenhandels spezifische Merkmale aufweist, werden sie in einzelnen<br />

abschnitten separat behandelt. anschließend wird in einer Übersicht dargestellt,<br />

welche praktischen Möglichkeiten es für die Finanzierung der Betroffenen von<br />

Frauenhandel gibt.<br />

Dr. nivedita Prasad<br />

MEnscHEnHandEl 89 In dIE sExuEllE ausbEutunG<br />

seit 2000 ist Menschenhandel in einer un-Konvention – dem »Protokoll zur Verhütung,<br />

Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des<br />

Frauen- und Kinderhandels, in ergänzung des Übereinkommens der Vereinten<br />

nationen gegen die grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität« – in Palermo<br />

international einheitlich definiert. ein folgender rahmenbeschluss des rates<br />

der europäischen union zur Bekämpfung des Menschenhandels verpflichtete alle<br />

Mitgliedstaaten, entsprechend der un-Vorgabe die innerstaatliche Gesetzgebung<br />

zu verändern. dieser aufforderung folgte deutschland im Februar 2005 mit einer<br />

strafrechtsänderung 90 .<br />

seither ist Menschenhandel (Mh) nun nicht mehr eine straftat gegen die sexuelle<br />

selbstbestimmung, sondern eine straftat gegen die persönliche Freiheit eines<br />

Menschen. der § 232 stGB beinhaltet »Menschenhandel zum Zweck der sexuellen<br />

ausbeutung« und der § 233 stGB »Menschenhandel zum Zweck der ausbeutung<br />

der arbeitskraft«. 91 Über das quantitative ausmaß dieses Verbrechens wird viel<br />

gemutmaßt, wirklich seriös sind bzw. können diese schätzungen nicht sein. die<br />

einzig fundierte Zahl für die Bundesrepublik ist die, die das Bundeskriminalamt<br />

jährlich in seinem lagebild Menschenhandel veröffentlicht. hierbei handelt es<br />

sich lediglich um Fälle, die der Polizei bekannt sind, bzw. um solche, bei denen es<br />

mindestens zu einem ermittlungsverfahren gekommen ist – also dem polizeibekannten<br />

hellfeld. Über das dunkelfeld sagen aber diese Zahlen nichts aus; seriöse<br />

schätzungen hierzu sind nicht möglich. Zudem besteht eine diskrepanz zu den<br />

Fallzahlen der Fachberatungsstellen. neben der reinen quantitativen differenz ergibt<br />

sich im Bereich des Menschenhandels auch eine diskrepanz zu der Vielzahl<br />

von herkunftsländern, die im lagebild Menschenhandel des BKa nicht vorkommen.<br />

Beispielsweise hat die Beratungsstelle Ban Ying Frauen aus 19 ländern beraten,<br />

die Betroffene des Menschenhandels in die sexindustrie waren. das lagebild<br />

Menschenhandel des Bundeskriminalamtes 2007 erwähnt hingegen lediglich 9<br />

hauptherkunftsländer 92 für Betroffene von Menschenhandel.<br />

spannungsfeld freiwillige Prostitution und Menschenhandel<br />

häufig wird in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit Menschenhandel von<br />

»Zwangsprostitution« gesprochen; dies ist zum einen juristisch irreführend, zum<br />

anderen spiegelt dies nicht die realität vieler Betroffenen von Menschenhandel<br />

wider, denn sie wurden nicht zur Prostitution gezwungen, vielmehr mussten sie<br />

in der Prostitution unter Bedingungen arbeiten, die der sklaverei ähneln. auch<br />

das Bundeslagebild Menschenhandel 2007 weist darauf hin, dass etwas mehr als<br />

ein drittel der Opfer von Menschenhandel einverstanden waren mit der Prosti-<br />

89 auch wenn die Gesetzestexte geschlechtsneutral formuliert sind, ist zumindest der Menschenhandel in die sexindustrie de<br />

facto ein handel mit Frauen, weshalb sich in diesem artikel im Wesentlichen auf den handel mit Frauen konzentriert wird.<br />

90 Vgl. hierzu auch Kapitel 3<br />

91 zu Menschenhandel zum Zwecke der ausbeutung der arbeitskraft siehe Beitrag von cissek – evans in dieser Publikation.<br />

92 Bundeskriminalamt 2008, s.8<br />

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