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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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94 PrAXIS<br />

HAuSANgeSTeLLTe voN dIPLoMAT<strong>IN</strong>NeN 95<br />

der lage, so ein Konto einzurichten und die Geheimnummer und Kontokarte<br />

nicht der Kontoinhaberin, sondern dem Mann auszuhändigen. der Prozess um<br />

das erbe ist noch nicht abgeschlossen. ebenso wurde über den antrag auf erteilung<br />

einer aufenthaltserlaubnis nach § 31 aufenthaltsgesetz nicht entschieden.<br />

in einem anderen Fall dauerte es drei Jahre, bis die Behörde den antrag positiv<br />

entschied. in dem Fall hat die Klientin den ehemann verlassen, weil er sie massiv<br />

misshandelte. sie erhielt in dieser Zeit eine duldung (aussetzung der abschiebung).<br />

diese wurde zwar immer wieder verlängert, doch die Perspektivlosigkeit<br />

und große unsicherheit führten dazu, dass sich der gesundheitliche Zustand der<br />

Frau erheblich verschlechtert hat. sachliche Gründe für eine so lange Verfahrensdauer<br />

waren in diesem Fall wie in vielen ähnlichen Fällen nicht erkennbar.<br />

Beispiel 3: Frauenhandel in die Ehe, Zwangsverheiratung<br />

eine Familie verspricht ihre tochter einer anderen Familie, ohne das einverständnis<br />

der jungen Frau. Wenn Frauen mit einem im ausland lebenden Mann<br />

verheiratet werden sollen, hoffen viele, in deutschland ein besseres und freies<br />

leben führen zu können. doch in vielen Fällen findet sich die Betroffene in einer<br />

Zwangsehe wieder, bestehend aus isolation, strenger Kontrolle aller außenkontakte,<br />

harter arbeit im haushalt und sexueller Gewalt. die Frau hat keine<br />

Kontakte nach außen. sie weiß nicht, wo sie hilfe holen könnte.<br />

eine unserer Klientinnen kam im rahmen von Familienzusammenführung<br />

zu ihrem ehemann nach deutschland – das ergebnis einer Zwangsverheiratung.<br />

sie wohnte mit ihrem ehemann im haus ihrer schwiegereltern. die Familie des<br />

ehemannes verfügte vollkommen über die junge Frau. sie misshandelten sie<br />

und ließen sie hart arbeiten wie eine moderne sklavin.<br />

als sie die Misshandlungen nicht mehr aushalten konnte, sprang sie aus dem<br />

Fenster vom dritten stock. sie wurde lebensgefährlich verletzt und musste auf<br />

der intensivstation mehrere tage behandelt werden.<br />

in diese Familie kehrte sie nicht mehr zurück. da sie minderjährig ist, müsste<br />

das Jugendamt für ihre Belange zuständig sein. das amt weigert sich monatelang,<br />

die Kosten für die unterbringung sowie für den lebensunterhalt zu<br />

übernehmen. auch das ausländeramt weigert sich, ihre aufenthaltserlaubnis<br />

zu verlängern, da sie keine zwei Jahre in der ehe gelebt hat. die entscheidung<br />

über ihren antrag auf aufenthaltserlaubnis wegen besonderer härte nach § 31<br />

aufenthaltsgesetzes steht noch aus. nach hause in ihr heimatland kann sie jedenfalls<br />

nicht mehr zurückkehren. ihr eigener Vater verbietet ihr, in die Familie<br />

zurückzukommen.<br />

die strengen gesetzlichen Voraussetzungen des eigenständigen aufenthaltsrechtes<br />

der ehegatten führen dazu, dass eine mögliche trennung von den ehepartnern<br />

für heiratsmigrantinnen zu einer – wie die oben eingeführten Beispiele zeigen –<br />

echten Bedrohung werden kann. der Verlust des aufenthaltstitels führt bei den<br />

meisten Frauen zu ernsten existenzängsten. diese Bedrohung wird oft von den<br />

ehepartnern eingesetzt, um die betroffenen Frauen gefügig zu machen.<br />

da sich all die Verletzungen und Misshandlungen im häuslichen Bereich ereignen,<br />

sind diese zum späteren Zeitpunkt – beispielsweise bei Beantragung einer aufent-<br />

haltserlaubnis nach § 31 aufenthG – nur schwer »objektiv« zu beweisen. Für diese<br />

schweren psychischen und allzu oft körperlichen Verletzungen fehlen meist die<br />

Zeugen. es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass nach derart schlimmen erlebnissen,<br />

den Frauen noch langwierige Verfahren zugemutet werden. Wir fordern daher ein<br />

ehe-unabhängiges aufenthaltsrecht und ein erleichtertes Verfahren in härtefällen.<br />

Dr. nivedita Prasad<br />

HausanGEstElltE Von dIPloMatInnEn<br />

Mit der ausweitung der strafrechtlichen definition von Menschenhandel wird viel<br />

diskutiert über die industrien, in denen Menschenhandel zum Zwecke der ausbeutung<br />

der arbeitskraft stattfindet. einigkeit herrscht darüber, dass hausangestellte<br />

sicherlich als vulnerable Gruppe anzusehen sind, denn sie sind in einer sehr wenig<br />

regulierten industrie tätig, die zudem nach außen fast unsichtbar ist. Über das ausmaß<br />

hingegen ist wenig bekannt. immer wieder aber werden Fälle bekannt, in denen<br />

diplomatinnen hausangestellte nicht oder schlecht bezahlt haben, sie ausgebeutet<br />

haben und/ oder Gewalt gegen sie ausgeübt haben. Manche von ihnen waren Betroffene<br />

von Menschenhandel; eine strafrechtliche Verfolgung ist allerdings auf Grund<br />

der immunität der diplomatinnen nicht möglich. dies und die tatsache, dass der<br />

aufenthaltstitel der hausangestellten direkt an ihren arbeitgeber geknüpft ist, ermöglicht<br />

ein extremes Maß an ausbeutung.<br />

der Großteil der hausangestellten von diplomatinnen kommt aus asiatischen<br />

ländern. Ban Ying hat in den letzten Jahren etwa 20 von ihnen beraten. alle waren<br />

aus asien – die meisten von den Philippinen, aber auch einige aus indonesien. 142<br />

Wie viele hausangestellte sich insgesamt derzeit in der Bundesrepublik aufhalten, ist<br />

nicht eindeutig, schätzungen variieren zwischen 200 und 1700. 143<br />

Für arbeitsmigrantinnen ist das hauptmigrationsmotiv in erster linie eine arbeitsaufnahme<br />

im ausland, da es keine vergleichbare alternative im herkunftsland<br />

gibt, die es ermöglichen würde, den lebensunterhalt der Familie nachhaltig<br />

zu sichern. Bei philippinischen Frauen kommt sicherlich hinzu, dass philippinische<br />

staatsangehörige ihre ehen nicht scheiden lassen können. Für viele Frauen ist eine<br />

Migration eine gesellschaftlich anerkannte Form der de facto trennung vom ehemann.<br />

die anwerbung der Frauen auf den Philippinen – und insbesondere in indonesien-<br />

erfolgt über rekrutierungsagenturen, deren Praktiken zunehmend in die<br />

Kritik geraten sind. 144 diplomatinnen und andere arbeitgeber wenden sich mit<br />

stellenangeboten an die agenturen. sowohl die hausangestellten als auch die arbeitgeber<br />

zahlen Gebühren an diese agenturen. in manchen Fällen werden bis zu<br />

5 Monatsgehälter der hausangestellten als Gebühr für die arbeitsvermittlung einbehalten!<br />

diese Bindung macht es indonesierinnen unmöglich, ihre arbeitgeber<br />

zu verlassen, bevor sie diese Gebühr entrichtet haben.<br />

142 laut einer kleinen anfrage an den Bundestag sind 20% der hausangestellten aus den Philippinen, 14 % aus indonesien.<br />

Vgl. Kleine anfrage der abgeordneten irmingard schewe – Gerigk u.a. 2008<br />

143 Vgl. Jung, elmar 2008.<br />

144 Vgl. hierzu: association of indonesian Migrant Workers 2008<br />

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