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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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40 reCHTSLAge<br />

reCHTLICHe gruNdLAgeN deS PHÄNoMeNS FrAueNHANdeL 41<br />

abhängigkeit. Personal und Praktikanten von Fachberatungsstellen für Opfer von<br />

Menschenhandel sind von diesem Privileg ausgenommen. ihnen steht kein spezifisches<br />

Zeugnisverweigerungsrecht zu, obwohl dies seit anfang der 90er Jahre<br />

des vergangenen Jahrhunderts verschiedentlich gefordert wurde. es sei notwendig,<br />

weil das Vertrauen zwischen einer von Menschenhandel Betroffenen und der Beraterin<br />

nachhaltig erschüttert würde, wenn die Beraterin als Zeugin vor Gericht über<br />

vertrauliche Gesprächsinhalte berichten müsste. Bisher ist dies ist in der Praxis<br />

jedoch kaum vorgekommen.<br />

beistand und schutzmöglichkeiten im strafverfahren<br />

im strafverfahren hat die Zeugin bzw. der Zeuge einen anspruch auf angemessene<br />

Behandlung und auf ehrenschutz. die Person darf nicht zum bloßen Verfahrensobjekt<br />

gemacht werden. 44 Zudem ist das Gericht gegenüber der Zeugin<br />

bzw. dem Zeugen zur Fürsorge verpflichtet und muss die Person vor leibes- oder<br />

lebensgefahr schützen, in die sie durch die Mitwirkung in dem strafverfahren<br />

geraten kann. 45<br />

Verletztenbeistände von (nicht) nebenklageberechtigten,<br />

§§ 406f, 406g stPo<br />

Für die dauer der polizeilichen, staatsanwaltlichen oder gerichtlichen Vernehmung<br />

kann sich eine durch die tat in ihren rechten verletzte, aber nicht nebenklageberechtigte<br />

Zeugin bzw. Zeuge einer Person des Vertrauens als Beistand<br />

bedienen (§ 406f abs. 3 stPO). die vernehmenden Beamten oder das Gericht<br />

entscheiden nach pflichtgemäßem ermessen über die Zulassung des Beistandes.<br />

eine Überprüfung der entscheidung findet nicht statt.<br />

Zudem ist eine durch die straftat verletzte, aber nicht nebenklageberechtigte<br />

Zeugin bzw. Zeuge zur Wahrnehmung ihrer Befugnisse im ermittlungs- und<br />

strafverfahren berechtigt, eine anwältin oder einen anwalt als Beistand zu beauftragen<br />

(§ 406f stPO). dieses recht ist aus verschiedenen Gründen interessant.<br />

Zum einen unterliegt die beauftragte anwältin bzw. der anwalt ab Mandatserteilung<br />

der beruflichen schweigepflicht und besitzt vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht<br />

(§ 53 abs. 1 nr. 3 stPO). Vertrauliches, das die Zeugin bzw.<br />

der Zeuge nur ihr bzw. ihm gegenüber äußert, bleibt so über standesrechtliche<br />

Verpflichtungen hinaus auch vor Gericht geschützt. dies gilt auch für die weiteren,<br />

nachfolgend aufgeführten Möglichkeiten der anwaltlichen Vertretung.<br />

Zum anderen ist der anwältin/dem anwalt ein anwesenheitsrecht während<br />

der staatsanwaltschaftlichen – nicht aber der polizeilichen – Vernehmung im<br />

ermittlungsverfahren und der gerichtlichen Vernehmung gestattet. sie bzw. er<br />

kann für die Zeugin bzw. den Zeugen das recht zur Beanstandung von Fragen<br />

ausüben und in der hauptverhandlung einen antrag auf ausschluss der Öffentlichkeit<br />

(§ 171b GVG) stellen. hierin erschöpfen sich allerdings im Wesentlichen<br />

die rechte des Verletztenbeistands als Zeugenbeistand. ein anwesenheitsrecht<br />

44 Vgl. BVerfGe 27, s.1, 6.<br />

45 BVerfGe 57, s.250, 284.<br />

vor oder nach der Vernehmung hat sie/er nicht und zu der hauptverhandlung<br />

wird sie/er auch nicht geladen.<br />

im unterschied zu den vorgenannten rechten hat der anwaltliche Beistand<br />

einer nebenklageberechtigten Opferzeugin weitergehende handlungsmöglichkeiten<br />

(§406g stPO). ihm ist die anwesenheit während der hauptverhandlung<br />

gestattet, auch wenn diese unter ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wird<br />

und Mitarbeiterinnen der Fachberatungsstelle ebenfalls die Prozessbeobachtung<br />

versagt ist.<br />

Möglichkeiten der nebenklage<br />

ist eine Frau nicht nur Zeugin, sondern selber Opfer von Menschenhandel (§§<br />

232, 233, 233a stGB) geworden und entschließt sie sich, dem strafverfahren als<br />

Zeugin zur Verfügung zu stehen, kann sie, mit besonderen rechten ausgestattet,<br />

aus der passiven Zeuginnenrolle (Beweismittel) im Prozess heraustreten und aktiv<br />

als nebenklägerin (§§ 395 ff. stPO) am Prozess teilnehmen. Mit hilfe einer<br />

spezialisierten Opferanwältin oder eines Opferanwalts kann sie sich im Verfahren<br />

unterstützen lassen. anderenfalls hätte sie nur die Pflicht zur aussage, könnte<br />

aber auf das Verfahren keinen einfluss nehmen und würde keine weiteren informationen<br />

über den Verlauf erhalten. die nebenklage ist ein eigenständiges recht<br />

und wird unabhängig von der staatsanwaltschaft ausgeübt.<br />

als Opfer von Menschenhandel gehört die Verletzte der rechtswidrigen tat<br />

zu dem nebenklage berechtigten Personenkreis (straftat gegen die persönliche<br />

Freiheit, § 395 abs. 1 nr. 1d stPO). dies eröffnet ihr die Möglichkeit, sich als<br />

nebenklägerin dem Prozess anzuschließen und darüber hinaus für die eigene<br />

unterstützung auf Wunsch anwaltlichen Beistand zu bestellen. Je nach alter der<br />

Betroffenen (unter 16 Jahren) bzw. wenn diese ihre eigenen interessen ersichtlich<br />

nicht selber ausreichend wahrnehmen kann, wird ihr ein anwaltlicher Beistand<br />

auf antrag beigeordnet (§ 397a abs.1 stPO).<br />

aufgabe der anwaltlichen Vertretung ist es, die Opferzeugin über »prozessuale<br />

Klippen« zu leiten, sie zu unterstützen, für sie gesetzlich verankerte rechte wahrzunehmen<br />

und zu verhindern, dass sie im Verfahren z.B. von der Verteidigung<br />

diffamiert und so ein zweites Mal zum Opfer wird.<br />

um die rechte der nebenklage umfassend nutzen zu können, ist die anschlusserklärung<br />

und Bestellung der anwältin bzw. des anwalts im frühestmöglichen<br />

ermittlungsstadium von Bedeutung. Gleichwohl ist eine erklärung in jeder lage<br />

des Verfahrens zulässig, auch noch im rechtsmittelverfahren. als nachweis für<br />

die Beauftragung einer anwältin oder eines anwalts ist die schriftliche und<br />

von der Betroffenen unterschriebene Vollmacht beim verhandlungsführenden<br />

Gericht vorzulegen. die Zusendung per telefax vorab ist möglich, ebenso die<br />

Protokollierung der Vollmacht bei der Geschäftsstelle des Gerichts. das Gericht<br />

entscheidet über den nebenklage- und anwaltlichen Beiordnungsantrag nach<br />

anhörung der staatsanwaltschaft durch Beschluss.<br />

die nebenklage bietet zusammen mit der anwaltlichen unterstützung ein<br />

wichtiges rechtliches instrument zur stärkung der prozessualen Position der<br />

Opferzeugin mit folgenden rechten:<br />

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