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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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126 verNeTZuNg, KooPerATIoN uNd ForTBILduNg<br />

ForTBILduNg Zur THeMATIK FrAueNHANdeL 127<br />

der aspekt der strafverfolgung und damit die instrumentalisierung des Opfers<br />

von Menschenhandel als Zeugin im ermittlungs- und strafverfahren spiegelt sich<br />

auch in den meisten Fortbildungsangeboten für Polizei und Justiz wieder. aufgrund<br />

internationaler, auch europäischer, Vorgaben wird zwar der notwendigkeit<br />

der Begleitung durch Fachberatungsstellen rechnung getragen, so dass die Mitarbeiterinnen<br />

auch bei schulungen anderer Berufsgruppen für referate angefragt<br />

sind, jedoch bleibt die Präsentation der themen, die sich der situation der Betroffenen<br />

und der rolle der Fachberatungsstellen widmen, oft marginal.<br />

andererseits sorgen die rechtlichen rahmenbedingungen (und z. t. auch die<br />

Vorgaben der Geldgeber, z. B. eu) dafür, dass sich auch die Fachberatungsstellen<br />

in Fortbildungsveranstaltungen häufig in erster linie unter dem aspekt »Zeuginnenschaft«<br />

mit ihrem Klientel und der thematik Menschenhandel beschäftigen.<br />

da aus sicht der Fachberatungsstellen insbesondere der austausch und die Kooperation<br />

mit der Justiz noch zu verbessern ist, müssten vor allem in diesem Bereich<br />

verstärkt anstrengungen unternommen und (berufsübergreifende) Fortbildungsangebote<br />

konzipiert werden. diese sollten sich schwerpunktmäßig mit den<br />

hintergründen der von Menschenhandel Betroffenen, den auswirkungen traumatischer<br />

erlebnisse, der situation der Zeuginnen vor Gericht und den rechten<br />

der Opfer widmen. Zusätzlich müssten Maßnahmen entwickelt werden, die die<br />

Bereitschaft zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit fördern und damit der<br />

praktischen umsetzung der Kooperationskonzepte dienen.<br />

ein Großteil der Fortbildungen findet im rahmen von zeitlich befristeten (d.h.<br />

auch kurzzeitig finanzierten) Projekten statt, die aufgrund der Vorgaben oft eine<br />

sehr heterogene teilnehmer/innenstruktur aufweisen, die über unterschiedlichste<br />

ausgangsvoraussetzungen verfügen. eine konstruktive Zusammenarbeit und die<br />

erzielung von ergebnissen, die sich im Berufsalltag umsetzen lassen, kann dadurch<br />

erschwert werden.<br />

die Vermittlung von informationen und (berufsspezifischen) sichtweisen<br />

erfolgt meist in Form von referaten, z. t. werden ergänzend Workshops durchgeführt.<br />

dies und die zeitliche Beschränkung der Fortbildungsveranstaltungen –<br />

oft nur ein bis zwei tage – führen dazu, dass für kontroverse diskussionen und<br />

auch für den fachlichen sowie informellen austausch zu wenig Zeit bleibt. notwendig<br />

sind zum einen die anwendung anderer didaktischer Methoden, welche<br />

die teilnehmer/innen zur aktiven Mitwirkung motiviert, und zum anderen die<br />

etablierung anderer Zielsetzungen (z. B. Menschenhandel als Menschenrechtsverletzung).<br />

darüber hinaus sollten zukünftig mehr elemente der selbsterfahrung,<br />

z.B. in Form von rollenspielen, und anleitungen zur bzw. Möglichkeiten der umsetzung<br />

den eingang in die Fortbildungsveranstaltungen finden.<br />

ein Problem bei der durchführung von Fortbildungen bleibt die Motivierung<br />

der Zielgruppen zur teilnahme. Gerade Mitarbeiter/innen der Justiz und der<br />

strafverfolgungsbehörden sehen sich häufig außerstande, zusätzlich zu den anforderungen<br />

ihres Berufsalltages Bildungsmaßnahmen zu absolvieren, es sei denn<br />

sie sind in dem themenbereich engagiert – oder werden zur teilnahme an schulungen<br />

bestimmt. die dementsprechend unterschiedliche Motivations- und interessenlage<br />

kann die ergebnisse der Veranstaltungen beeinflussen.<br />

Wünschenswert wäre bei allen Beteiligten auch mehr Offenheit für die sichtweisen<br />

der anderen Berufsgruppen, d. h. Kooperationspartner/innen, und die Bereitschaft,<br />

sich auf andere didaktische Methoden und lernerfahrungen einzulassen.<br />

Für Bildungsveranstaltungen der Mitarbeiterinnen von Fachberatungsstellen gilt,<br />

dass keine standards im sinne von Qualifikationsanforderungen für »Beraterinnen<br />

für Opfer von Menschenhandel« existieren, an denen sich ein Fortbildungsbedarf<br />

orientieren könnte. die einführung solcher standards wäre auch deswegen sinnvoll,<br />

weil damit mehr transparenz gegenüber den anderen Berufsgruppen und in<br />

Folge dessen u. u. mehr akzeptanz für den arbeitsbereich »Zeuginnenbetreuung«<br />

erzielt werden könnte.<br />

darüber hinaus wäre es auch wünschenswert, dass qualifizierte schulungen<br />

zertifiziert und die teilnehmerinnen von der Bildungsfreistellung profitieren<br />

könnten.<br />

resümierend lässt sich feststellen, dass die Fachberatungsstellen bundesweit<br />

oft entsprechend ihrer Kapazitäten, aber immer mit beträchtlichem personellen,<br />

finanziellen und zeitlichen aufwand Veranstaltungen durchführen und dabei auf<br />

die expertise ihrer Mitarbeiterinnen zurückgreifen, dass andererseits aber für diese<br />

Mitarbeiterinnen zu wenige angebote für deren kontinuierliche Fortbildung<br />

zur Verfügung stehen.<br />

es bleibt zu hoffen, dass das oben erwähnte »arbeitspapier zur standardisierung<br />

der aus- und Fortbildung im deliktsbereich Menschenhandel zum Zweck<br />

der sexuellen ausbeutung« bundesweit flächendeckend zur anwendung kommt<br />

und in der Folge neuartigen erfordernissen angepasst wird. insbesondere sollte<br />

verpflichtend festgeschrieben werden, dass die inhalte auch bereits in die ausbildung<br />

der involvierten Berufsgruppen verstärkt aufgenommen werden. die<br />

durchzuführenden Fortbildungen sollten zukünftig umfassend und kontinuierlich<br />

angeboten werden auf der Grundlage einer ausreichenden Finanzierung.<br />

dabei sollte auch darauf Wert gelegt werden, dass die inhalte anders gewichtet<br />

werden: die situation der Betroffenen sollte – unabhängig von ihrer Zeuginnenschaft<br />

– mehr in den Fokus gerückt werden, um der tatsache gerecht zu werden,<br />

dass Menschenhandel eine Menschenrechtsverletzung darstellt, woraus sich zum<br />

einen rechte für die Opfer ergeben, zum anderen die Verpflichtung zu einem adäquaten<br />

umgang der verschiedenen Berufsgruppen mit den Betroffenen.<br />

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