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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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60 reCHTSLAge<br />

MeNSCHeNHANdeL uNd dIe NeueN regeLuNgeN IM AuFeNTHALTSgeSeTZ 61<br />

Naile Tanis<br />

MEnscHEnHandEl und dIE nEuEn REGElunGEn IM<br />

auFEntHaltsGEsEtZ<br />

In diesem Artikel wird die aufenthaltsrechtliche Situation für Betroffene des Menschen-<br />

handels dargestellt.<br />

Am 01.01.2005 ist das neue Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten und hat als so<br />

genanntes »Mantelgesetz« 15 Einzelgesetze und Verordnungen geändert. Das Aufenthaltsgesetz<br />

ist ein Einzelgesetz des Zuwanderungsgesetzes und findet Anwendung<br />

für AusländerInnen nach § 2 Aufenthaltsgesetz, das heißt für so genannte Drittstaatsangehörige.<br />

Nicht erfasst im Aufenthaltsgesetz werden Staatsangehörige der<br />

Europäischen Union (UnionsbürgerInnen), für diese findet das Freizügigkeitsgesetz<br />

Anwendung. UnionsbürgerInnen sind von Gesetz wegen prinzipiell freizügigkeitsberechtigt<br />

84 , ohne dass es einer besonderen Genehmigung bedarf. Freizügigkeitsberechtigte<br />

UnionsbürgerInnen und ihren Familienangehörigen mit Staatsangehörigkeit<br />

eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wird gemäß § 5 Abs. 1 FreizügG/<br />

EU von Amts wegen unverzüglich eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht<br />

ausgestellt, und sie erhalten nach § 5 FreizügG/EU in Verbindung mit § 2 Absatz 2<br />

Nr. 1 FreizügG/EU eine Aufenthaltserlaubnis-EU. Sie haben demzufolge das Recht<br />

auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland.<br />

Dies trifft hingegen nicht auf Drittstaatsangehörige zu. Sie benötigen einen Aufenthaltstitel<br />

nach dem Aufenthaltsgesetz. Mit Inkrafttreten des »Gesetzes zur Umsetzung<br />

aufenthaltsrechtlicher und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union«<br />

am 19. August 2007 wurde das Aufenthaltsgesetz aktualisiert und geändert.<br />

Mit diesem Gesetz sollte die so genannte Opferschutzrichtlinie 2004/81/EG des<br />

Rates »über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer<br />

von Menschenhandel sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet<br />

wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren« umgesetzt werden. Ziel<br />

dieser Richtlinie ist es u.a., einen Anreiz für die Kooperation mit den zuständigen<br />

Behörden im Sinne einer erfolgreichen Strafverfolgung zu schaffen.<br />

Die im Aufenthaltsrecht geregelten verschiedenen Aufenthaltsmöglichkeiten für<br />

Betroffene des Menschenhandels hängen im Einzelnen von dem Stand des strafrechtlichen<br />

Verfahrens und der Beteiligung der Betroffenen ab. Im Wesentlichen<br />

lassen sich hier drei verschiedene, chronologisch verlaufende Phasen nennen:<br />

1. Erteilung einer Ausreisefrist nach § 50 Absatz 2 a AufenthG<br />

Die erste Phase setzt ein, wenn eine Person, die sich illegal in Deutschland aufhält,<br />

als Opfer von Menschenhandel identifiziert wird. Die Ausländerbehörde wird informiert<br />

und der Sachverhalt mitgeteilt. Wenn für die Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte<br />

vorliegen, dass AusländerInnen Betroffene von Menschenhandel sind,<br />

setzt sie eine so genannte Ausreisefrist (häufig auch »Bedenkfrist« genannt) von<br />

mindestens einem Monat an. In dieser Frist soll die/der Betroffene:<br />

84 Freizügigkeitsgesetz/EU: Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern im Zuwanderungsgesetz regelt die Einreise und den<br />

Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union<br />

• sich ihrer/seiner aktuellen Situation sowie ihrer/seiner Rechte bewusst<br />

werden können,<br />

• Beratung in Anspruch nehmen können,<br />

• fundierte Entscheidungen über ihre/seine weitere Zukunft treffen,<br />

• sich für oder gegen Aussagen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden<br />

entscheiden<br />

85 • und ggf. ihre/seine »freiwillige« Ausreise vorbereiten.<br />

Weiterhin soll die/der Betroffene in dieser Zeit von der Ausländerbehörde oder einer<br />

durch sie beauftragten Stelle über die für sie/ihn geltenden Regelungen, Programme<br />

und Maßnahmen informiert werden. Die Praxis zeigt jedoch, dass ein Monat deutlich<br />

zu kurz ist, um alle genannten Punkte zufrieden stellend gewähren zu können. 86<br />

2. Aufenthalt aus humanitären Gründen nach<br />

§ 25 Absatz 4 a AufenthG<br />

Die zweite Phase setzt ein, wenn der/die Betroffene einer Straftat nach den §§ 232,<br />

233 oder 233a StGB sich zur Zeugenaussage im Strafverfahren entschließt und aus<br />

Sicht der Staatsanwaltschaft oder der Strafgerichte ein Interesse an der Aussage<br />

der/des Zeugin/en besteht, da andernfalls ohne die Angaben der/des Zeugin/en die<br />

Erforschung des Sachverhaltes erschwert wäre. Weitere Voraussetzung nach § 25<br />

Absatz 4 a AufenthG ist, dass die/der Zeugin/e jede Verbindung zu den Personen,<br />

die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat. Wenn<br />

diese Voraussetzungen erfüllt sind kann abweichend von § 11 Absatz 1 AufenthG,<br />

auch wenn er/sie vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis für einen<br />

vorübergehenden Aufenthalt nach § 25 Absatz 4 a AufenthG erteilt werden. Im Vordergrund<br />

dieser Vorschrift steht das staatliche Interesse an einer Strafverfolgung,<br />

nicht die Menschenrechtsverletzung an dem/der Betroffenen, was vor allen Dingen<br />

die Fachberatungsstellen vehement kritisieren. 87<br />

Erhält die Zeugin/der Zeuge den Aufenthaltstitel, so wird dieser in der Regel bis<br />

zur Beendigung des Strafverfahrens oder der Beteiligung der Zeugin / des Zeugen<br />

am Strafverfahren regelmäßig verlängert, wobei die gesamte Situation während des<br />

Strafverfahrens für die Zeugin/den Zeugen äußerst belastend sein kann. Die überlange<br />

strafrechtliche Verfahrensdauer, die mehrere Jahre betragen kann, hat einen<br />

negativen Einfluss auf die Stabilisierung der Betroffenen. Zum Teil kann die Gefahr<br />

einer Retraumatisierung bestehen. Aus diesem Grund ist es dringend notwendig,<br />

dass den Betroffenen während des Strafverfahrens Arbeits- und Bildungsmöglich-<br />

85 »Freiwillig« ist hier in Anführungszeichen gesetzt, da es sich in vielen Fällen nicht um eine tatsächlich freiwillig stattfindende Ausreise handelt.<br />

Vielmehr müssen die Betroffenen in Ermangelung von Alternativen ausreisen, wenn sie sich gegen eine Aussage entscheiden.<br />

86 Zu weiteren Umsetzungsdefiziten siehe Prasad in Kapitel 4<br />

87 Zu weiteren Umsetzungsdefiziten siehe die Beiträge in Kapitel 4.<br />

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