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FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK

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24 H<strong>IN</strong>TergruNd<br />

AuSgANgSLAge uNd ProBLeMdArSTeLLuNg 25<br />

2 H<strong>IN</strong>TergruNd<br />

Kapitel<br />

Behshid najafi<br />

ausGanGslaGE und PRoblEMdaRstEllunG<br />

der Begriff »Frauenhandel« beinhaltet eine Komplexität der Zusammenhänge<br />

von Frauen in Migrationsprozessen unter anwendung von Gewalt und ausbeutung,<br />

ohne seine verschiedenen ausformungen, wie Prostitutions-, arbeits- und<br />

heiratsmigration, angemessen auf einen Blick zu reflektieren. Gleichermaßen<br />

problematisch ist der Versuch, arbeitsmigration, Prostitutions- und heiratsmigration<br />

von Frauenhandel klar abzugrenzen. nichtsdestotrotz geht es darum, diese<br />

spezifische Menschenrechtsverletzung an Frauen auf einen politischen Begriff zu<br />

bringen. Frauen sind akteurinnen in Migrationsprozessen, das heißt, sie handeln;<br />

jedoch werden sie in diesen Prozessen Gewalt und ausbeutung ausgesetzt und<br />

werden somit gehandelt.<br />

als einführung in die thematik Frauenhandel wird dieser artikel nun als hintergrund<br />

den Zusammenhang von Migration und Frauenhandel darstellen und<br />

die spezifischen Problemlagen im Bereich Frauenhandel erläutern sowie die einzelnen<br />

erscheinungsformen dieses komplexen Phänomens vorstellen.<br />

Frauenmigration<br />

das thema Frauenhandel ist unmittelbar mit der thematik der Frauenmigration<br />

verknüpft. Frauenmigration ist ein Oberbegriff für ein sehr vielschichtiges Phänomen.<br />

die hintergründe und die individuellen entscheidungen von Frauen, ihr<br />

land zu verlassen, sind ebenso verschieden wie die Bedingungen der Migration und<br />

die situation im aufnahmeland. Frauen migrieren freiwillig oder aus notlagen heraus<br />

bzw. unter Zwang. sie sind aber potentiell prekären, unsicheren Verhältnissen<br />

ausgesetzt, in denen sie leicht gehandelt und ausgebeutet werden können.<br />

die Grenze zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Migration ist fließend.<br />

Frauenhandel ist Gewalt an Frauen im Migrationsprozess.<br />

Frauen migrieren aus wirtschaftlichen, sozialen, politischen, gesellschaftlichen,<br />

familiären und/oder persönlichen Gründen. sie müssen flüchten oder sind auf der<br />

suche nach Perspektiven durch eine arbeit – dazu zählt häufig auch die Prostitution<br />

– oder durch die ehe in einer reichen industrienation. in der weltweiten Mobilität<br />

spielen Frauen eine immer größere rolle. es wird von der Feminisierung der<br />

Migration 7 gesprochen. ein Grund hierfür ist der in vielen ländern für Frauen erschwerte<br />

Zugang zu Bildung und zum arbeitsmarkt. Zugleich tragen Frauen aber<br />

7 Vgl. WOMnet: http://www.womnet.de/content/upload/christaBilanzen.pdf<br />

häufig die alleinige Verantwortung für ihre Familien und Kinder. sie verlassen<br />

daher ihren herkunftsort in der hoffnung auf bessere lebensverhältnisse.<br />

dem Weltbevölkerungsbericht von 2006 8 zufolge sind von den weltweit 191 Millionen<br />

internationalen Migrantinnen 95 Millionen Frauen. in Bezug auf Flüchtlingsbewegungen<br />

ist die Zahl sogar noch weit höher: 80–90% der weltweit flüchtenden<br />

Menschen sind Frauen und Kinder. Für viele Menschen, sowohl Frauen als<br />

auch Männer, sind Menschenrechtsverletzungen der Grund, aus ihrem heimatland<br />

zu flüchten. darunter verstehen wir u. a. hunger, mangelnde medizinische<br />

Versorgung, mangelnde schulbildung, Krieg und Bürgerkrieg. Frauen jedoch sind<br />

zusätzlich spezifischen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt, weil sie patriarchale<br />

normen überschreiten, d. h. normen, die fast ausschließlich für Frauen gelten<br />

und deren selbstbestimmungsrechte schwerwiegend verletzen, wie erzwungene<br />

Jungfräulichkeit, Zwangsheterosexualität, Zwangsabtreibung, Zwangssterilisation,<br />

Witwenverbrennung, Zwangsverheiratung, Zwangsprostitution, Vergewaltigung,<br />

Kleidervorschriften, wie Zwangsverschleierung und -entschleierung, Genitalbeschneidung,<br />

steinigung u.v.m. diese Menschenrechtsverletzungen stehen häufig<br />

in Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Misere, der politischen situation und<br />

den patriarchalen strukturen in den herkunftsländern der Frauen.<br />

häufig sichern Frauen als alleinerziehende Mütter das ökonomische Überleben<br />

ihrer Familien. nicht selten erwarten die Familien große finanzielle unterstützung<br />

von der tochter, schwester, Mutter oder tante, die in die Ferne gegangen ist, um<br />

Geld zu verdienen. neben ökonomischen ursachen sind vor allem schwierigkeiten<br />

in der Familie, Gewalterfahrungen, der Wunsch nach selbstbestimmung, träume,<br />

liebe, ein paradiesisches Bild von europa – vermittelt auch durch (sex-)touristen –<br />

weitere Gründe für die Migration von Frauen.<br />

Frauenhandel: Gewalt an Frauen im Migrationsprozess<br />

die internationale definition von Menschenhandel, von der unO im Palermo-<br />

Protokoll im Jahr 2000 festgelegt 9 , schließt mittlerweile – über die sexuelle ausbeutung<br />

von erwachsenen und Kindern hinaus – die ausbeutung der arbeitskraft<br />

ein. im sinne des Protokolls bezeichnet der ausdruck »Menschenhandel«:<br />

»Die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von<br />

Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder andere Formen<br />

der nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder<br />

Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme<br />

von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person,<br />

die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung<br />

umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen<br />

sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder<br />

sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Körperorganen.«<br />

10<br />

8 Weltbevölkerungsbericht der unO von 2006: http://www.unfpa.org/swp/2006/english/introduction.html<br />

9 http://untreaty.un.org/english/treatyevent2003/texts/treaty2e.pdf<br />

10 Übersetzt durch die autorin. Vgl. un-Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung und Bestrafung des Menschenhandels,<br />

insbesondere des Frauen- und Kinderhandels vom dezember 2000<br />

2

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