FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK
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36 reCHTSLAge<br />
reCHTLICHe gruNdLAgeN deS PHÄNoMeNS FrAueNHANdeL 37<br />
straflosigkeit von Prostitution als gefährdet an und verwiesen auf artikel 3 des<br />
un-Zusatzprotokolls, in dem alle Formen von Menschenhandel in einem Zusammenhang<br />
erwähnt werden. letztlich führte die diskussion in der Gesetzesreform<br />
zu folgendem ergebnis:<br />
• die bisherigen §§ 180b, 181 a.F. stGB gehen in dem neuen § 232 stGB als<br />
Grund- und Qualifikationstatbestand auf;<br />
• die weiteren, nach dem eu-rahmenbeschluss als Menschenhandel<br />
deklarierten handlungen sind unter die neu eingefügten § 233 (Grundund<br />
Qualifikationstatbestand), 233a (neuer tatbestand der Förderung von<br />
Menschenhandel) gefasst worden;<br />
• die jeweiligen Qualifikationstatbestände § 232 abs. 3 und § 233 abs. 3<br />
stGB sind Verbrechen und werden erfüllt, wenn das Opfer noch ein Kind<br />
ist oder schwer misshandelt wurde oder wenn von täterseite gewerbsmäßig<br />
mit Menschen gehandelt wird. ihre einstufung als Verbrechen macht den<br />
besonderen unrechts- und schuldgehalt der taten deutlich.<br />
§ 232 stGB und § 233 stGB werden in der polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen<br />
ermittlungsarbeit verschiedenen Kriminalitätsbereichen von unterschiedlicher deliktsausprägung<br />
zugeordnet, die nach informationen des Bundeskriminalamtes 26<br />
auch innerhalb des Bekämpfungsansatzes, wie z.B. der Verdachtsgewinnung und<br />
Beweisführung, differenziert betrachtet werden müssen. aus diesem Grund werden<br />
sie nachfolgend auch getrennt behandelt.<br />
§ 232 StGB Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung<br />
§ 232 abs. 1 stGB ist der Grundtatbestand des Menschenhandels zum Zweck der<br />
sexuellen ausbeutung. 27 Bei dem straftatbestand handelt sich um ein Vergehen,<br />
das mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. der<br />
Versuch von Menschenhandel ist strafbar (§ 232 abs. 2 stGB). die absätze 3 und<br />
4 des Paragraphen enthalten die Qualifikationstatbestände. danach werden die<br />
handlungen als Verbrechen mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn<br />
Jahren geahndet, wenn die tat an einem Kind verübt wird oder das Opfer körperlich<br />
schwer misshandelt oder in todesgefahr gebracht wurde oder der täter bzw.<br />
die täterin gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande von Menschenhändlern<br />
handelt.<br />
Verbrechen sind immer rechtswidrige taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe<br />
von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 abs. 1 stGB). dagegen sind<br />
sog. Vergehen rechtwidrige taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe<br />
oder mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 abs. 2 stGB).<br />
»Opfer der Tat« (vgl. § 232 abs. 3 nr. 1 stGB) im strafrechtlichen sinne des Menschenhandelsparagraphen<br />
ist eine Person, an der das Verbrechen verübt wurde.<br />
Opfer von Menschenhändlern können Menschen sein ohne unterscheidung nach<br />
Frau oder Mann, deutsche oder nichtdeutsche, eu-Bürger/in oder angehörige/r<br />
von drittstaaten. in diesem Zusammenhang spielt die kontrovers geführte diskussion<br />
darüber, ob Frauen, die sich bewusst auf riskante Vermittlungsmethoden und<br />
26 Vgl. Bundeskriminalamt (hrg.), Menschenhandel Bundeslagebild 2007, Pressefreie Kurzfassung, Juli 2008, Vorbemerkung s. 4<br />
pdf-download, www.bka.de/lagebilder<br />
27 die Betonung liegt hier auf ausbeutung, da Prostitution grundsätzlich in deutschland erlaubt ist.<br />
die arbeit als Prostituierte einlassen, nicht zwingend Opfer sein müssen, keine<br />
rolle. immer wenn es um Menschen geht, die durch handlungen im Zusammenhang<br />
mit einem straftatbestand wie z.B. Menschenhandel verletzt wurden, wird in<br />
ermittlungs- und hauptverfahren meist von »Opfern« gesprochen. ein anderer in<br />
der strafrechtlichen Praxis benutzter Begriff ist: der oder die »Verletzte«. 28 dieser<br />
Begriff ist stärker viktimologisch geprägt und weist mehr in richtung prozessualer<br />
abwehrrechte und gerichtlicher Fürsorgepflichten 29 . in der strafrechtlichen Praxis<br />
werden beide Bezeichnungen weitgehend synonym benutzt. 30 daneben hat sich in<br />
außergerichtlichen Bereichen der Begriff der »Betroffenen« etabliert.<br />
ausbeutung statt Vermögensvorteil<br />
im Grundtatbestand des § 232 abs. 1 stGB wurde auf das tatbestandsmerkmal<br />
»seines Vermögensvorteils wegen« (bisher in § 180b abs. 1 a.F. stGB) verzichtet. der<br />
nachweis des Vermögensvorteils war häufig in strafprozessen in objektiver und<br />
subjektiver hinsicht (Wissen und Wollen des täters) nur schwer zu erbringen.<br />
Konnte aber der nachweis nicht erbracht werden, lag zumindest kein Menschenhandel<br />
vor. Mit Wegfall des tatbestandsmerkmals erhöht sich die chance der Verurteilung<br />
von tätern wegen Menschenhandel. alternativ zu dem bisherigen tatbestandsmerkmal<br />
des Vermögensvorteils wurde jetzt ein anderes, opferbezogenes<br />
eingefügt. es muss eine handlung sein, durch die das Opfer »ausgebeutet« wird.<br />
der Begriff der ausbeutung ist hier im sinne einer wirtschaftlichen ausbeutung<br />
zu verstehen, wie sie bereits in anderem Zusammenhang (§ 291 stGB, Wucher)<br />
nach höchstrichterlicher rechtsprechung 31 definiert wurde. es handelt sich um das<br />
bewusste, missbräuchliche nutzen der schwächesituation des Opfers zur erlangung<br />
übermäßiger Vorteile. dies kann schon gegeben sein, wenn leistung und<br />
Gegenleistung in einem krassen Missverhältnis stehen. im Gesetzgebungsverfahren<br />
wurde dabei in erster linie an sexuelle handlungen zur herstellung pornographischer<br />
schriften gedacht, die ausbeutung von Frauen in Peep-shows oder beim<br />
so genannten heiratshandel. Weitere Fallkonstellationen sind denkbar.<br />
ausmaß des deliktfelds und das Prostitutionsgesetz<br />
Obwohl die Zahl der in deutschland in die Prostitution gehandelten Frauen ohne<br />
verlässliche empirische Grundlage auf mehrere zehntausend im Jahr geschätzt wird,<br />
lagen die auf polizeilicher ebene festgestellten Fälle von Menschenhandel seit 1993<br />
bis 2003 bei durchschnittlich 861 jährlich. 32 2007 handelte es sich laut Bundeskriminalamt<br />
um 454 abgeschlossene ermittlungsverfahren. 33 die geringe Zahl der regis-<br />
28 Verletzte/r ist eine Person, die durch die straftat unmittelbar in ihrem rechtsgut beeinträchtigt oder deren interessen durch den<br />
schutzbereich der verletzten strafrechtsnorm betroffen ist. Vgl. Kauder in: Gunter Widmaier (hrg.), Münchner anwaltshandbuch<br />
strafverteidigung, Mnchen 2006, § 53 rdnr. 7/8,<br />
29 Vgl. Jung in Zeitschrift für die gesamte strafrechtswissenschaft (ZstW) 1981, s. 1147.<br />
30 Vgl. auch hinweis von Klaus schroth, die rechte des Opfers im strafprozess, heidelberg 2005, s. 14, rz. 30<br />
31 Vgl. z.B. BGh 11, 187.<br />
32 Vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik PKs des Bundes der Jahre 1993 bis 2003; vgl. Forschungsergebnisse von annette herz und<br />
eric Minthe in: »straftatbestand Menschenhandel, Verfahrenszahlen und determinanten der strafverfolgung«, Bundeskriminalamt<br />
(hrg.), Band 31 Polizei und Forschung, München 2005 .<br />
33 Bundeskriminalamt (hrg.), Menschenhandel Bundeslagebild 2007, a.a.O.<br />
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