FRAUENHANDELN IN DEUTSCHLAND - KOK
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28 H<strong>IN</strong>TergruNd<br />
AuSgANgSLAge uNd ProBLeMdArSTeLLuNg 29<br />
»Ein Ausländer kann (…) ausgewiesen werden, wenn er gegen eine für die Ausübung<br />
der Gewerbsunzucht geltende Rechtsvorschrift oder behördliche Verfügung<br />
verstößt.«<br />
diejenigen Migrantinnen, die aus den eu-Beitrittsländern kommen, können<br />
zwar als selbstständige unternehmerinnen arbeiten, jedoch nicht als arbeitnehmerinnen<br />
tätig werden, weil es für sie fast unmöglich ist, eine eu-arbeitserlaubnis<br />
dafür zu erhalten. diese tatsachen fördern die ausbeutbarkeit der Frauen.<br />
Viele Frauen planen, im Bereich Prostitution für eine begrenzte Zeit in<br />
deutschland zu arbeiten in der hoffnung, schnell und viel Geld zu verdienen,<br />
um bald wieder ins herkunftsland zurückzukehren. die meisten Frauen führen<br />
ein doppelleben, d.h. die Familie weiß über ihre hiesige tätigkeit nicht Bescheid.<br />
sie können darüber erpresst und gezwungen werden, in der Prostitution unter<br />
unfreiwilligen Bedingungen zu arbeiten.<br />
ein großer teil der Frauen in der Prostitution ist weder über die ausländerrechtlichen<br />
Konsequenzen ihrer handlungen informiert noch über die harten<br />
arbeits- und lebensbedingungen im Zielland. Oft sind die etablissements heruntergekommen,<br />
die arbeitsbedingungen gesundheitsschädigend. Viele Frauen<br />
arbeiten isoliert von der außenwelt und verlassen ihren arbeitsplatz nur sehr<br />
selten. hohe Kosten für die Zimmermiete, die Vermittlerinnen etc. verhindern<br />
den erhofften Verdienst. diese situation verbunden mit fehlenden informationen<br />
und sprachkenntnissen begünstigt die ausbeutung. Bei vielen Frauen ist<br />
wegen der fehlenden Krankenversicherung im Krankheitsfall oder bei schwangerschaft<br />
bzw. schwangerschaftsabbruch die Gesundheitsversorgung oftmals<br />
nicht gewährleistet. illegalisiert hier zu arbeiten heißt, unter hohem druck zu<br />
stehen, in ständiger angst vor einer Polizeikontrolle bzw. razzia. Bestehen noch<br />
unbezahlte schulden durch eine hohe Vermittlungsgebühr, ist es besonders dramatisch.<br />
Frauen berichten zudem von Übergriffen durch Bordellbetreiber und<br />
Freier.<br />
Frauen werden aber auch in die Prostitution gehandelt. sie werden mit<br />
falschen arbeits- und Verdienstversprechungen angeworben, um im Zielland in<br />
der Prostitution zu arbeiten. ein großer teil des Verdienstes muss an die händlerinnen<br />
abgeführt werden. Meist wird bei der anwerbung eine so genannte Vermittlungssumme<br />
veranschlagt, die angeblich schnell erwirtschaftet und zurückgezahlt<br />
werden könne. diese summe wird von den täterinnen oft unrealistisch<br />
hoch veranschlagt. Zwang kann hier schuldknechtschaft bedeuten, d.h. solange<br />
die schulden für die »Vermittlung« nicht abbezahlt sind, wird die Frau selbst<br />
oder ihre Familie zu hause massiv bedroht. diese Fälle sind dem Menschenhandel<br />
zuzuordnen, obgleich die Grenze zwischen arbeitsmigration und Frauen-<br />
bzw. Menschenhandel sehr schwer zu ziehen bzw. fließend ist.<br />
Von der arbeitsmigration zum Frauenhandel<br />
ein anderer informeller arbeitsbereich, der speziell Frauen betrifft, ist der haushalt.<br />
immer mehr Frauen aus afrika, asien, lateinamerika und Osteuropa arbeiten<br />
als dienstbotinnen, Kindermädchen, Putz- und haushaltshilfen und Pflegekräfte<br />
in deutschland. auf der suche nach arbeit ist dies eine der wenigen und<br />
gleichfalls wie bei der Prostitution gesellschaftlich abgewerteten, schlecht bezahlten<br />
Möglichkeiten für Migrantinnen, denn der Zugang zum regulären arbeitsmarkt<br />
ist außerordentlich eingeschränkt. dazu kommt, dass vorhandene Berufsausbildungen<br />
in der regel hier nicht anerkannt werden.<br />
nicht selten handelt es sich dabei um ein »halbfeudales« arbeitsverhältnis,<br />
wenn die Bezahlung weniger durch Geld, sondern weitgehend durch freie Kost<br />
und logis erfolgt. der jederzeit mögliche Zugriff auf die arbeitskraft der hausangestellten<br />
ist garantiert, wenn sie im haushalt der arbeitsgeberin / des arbeitsgebers<br />
wohnen. eine interessenorganisierung der Betroffenen ist besonders schwierig,<br />
da sie häufig isoliert von der Gesellschaft eine vereinzelte existenz im haus<br />
ihrer arbeitgeberin leben, in der sie ihre rechte nicht wahrnehmen können bzw.<br />
oft gar keine Kenntnis ihrer rechte haben. Fehlende arbeitsrechte bzw. deren<br />
ignorieren und eine relativ unproblematische ersetzbarkeit der Frauen bedingen,<br />
dass Bezahlung und sicherheit nicht garantiert sind. aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten<br />
sind nicht vorhanden. die Gefahr der Belästigung und sexualisierten<br />
Gewalt ist groß, denn diese findet überall auf der Welt am häufigsten im<br />
privaten häuslichen Bereich statt. sich zur Wehr zu setzen, ist relativ schwierig, da<br />
die Beweislast auf seiten des Opfers liegt. Kommt ein illegalisierter status hinzu,<br />
hat sich die Frau nicht nur durch die arbeitsaufnahme, sondern auch durch den<br />
unerlaubten aufenthalt strafbar gemacht. am ende droht auch hier wieder die<br />
abschiebung.<br />
in deutschland arbeiten immer mehr Frauen ohne aufenthaltsrecht ungeschützt<br />
in diesem informellen sektor. einige arbeiten stundenweise in verschiedenen<br />
haushalten, Büros etc. das kann für sie bedeuten, ständig den arbeitsplatz<br />
zu wechseln, sich neu organisieren zu müssen und in einem anstrengenden Geflecht<br />
von abhängigkeiten gefangen zu sein. der Verdienst beträgt nach unserer<br />
erfahrung 17 durchschnittlich 2,5 bis 6 euro pro stunde, manche Frauen arbeiten<br />
14 stunden täglich. andere leben und arbeiten am selben Ort. ihr durchschnittsverdienst<br />
liegt zwischen 100 und 500 euro monatlich.<br />
immer mehr Frauen und Mädchen sind auf der suche nach Verdienstmöglichkeiten<br />
in den wohlhabenden industrieländern. dort werden sie oft um den Preis<br />
ihrer physischen und psychischen integrität und ihres rechts auf selbstbestimmung<br />
sklavenähnlich in haushalten oder anderen arbeitsbereichen »gehalten«.<br />
sie erledigen die arbeit in den Metropolen quasi zum nulltarif.<br />
seit 2005 sind aufgrund der eu-richtlinie 18 (rahmenbeschluss Menschenhandel<br />
/ 2002) in deutschland die Gesetze gegen Menschenhandel um den Bereich<br />
ausbeutung der arbeitskraft erweitert worden. der § 233 strafgesetzbuch regelt<br />
den straftatbestand Menschenhandel zum Zweck der ausbeutung der arbeitskraft.<br />
19 dieses Gesetz findet jedoch bis jetzt kaum anwendung. die Gründe hierfür<br />
sind vielfältig, unter anderem spielen die Beweisproblematik sowie fehlende<br />
sensibilisierung eine rolle. Zudem mangelt es noch an einer umfassenden unterstützungsstruktur.<br />
dies führt dazu, dass unterstützungsbedürftigen Frauen der<br />
Zugang zu informations- und Beratungsstellen versperrt bleibt.<br />
17 nach erfahrungen von agisra e.V. in Köln<br />
18 http://europa.eu/scadplus/leg/de/lvb/l33137.htm<br />
19 Vgl. hierzu cissek-evans, Kap. 4 und Würdinger, Kap. 3 in diesem Band.<br />
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