schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Zwischen erster und zweiter Moderne<br />
Bildungsobjekt (für Kinder und Jugend) und<br />
Anschauungsobjekt für praktisch angewendeten<br />
Umweltschutz sein (Der Naturfreund 1991,<br />
Heft 1: 1f.). Sie sollen nicht zum Selbstzweck<br />
werden, sondern (wieder) Stätten der Begegnung,<br />
Ort der Bildung und der Gemein<strong>schaft</strong>sbildung<br />
sein. Die Ortsgruppen sollen sich nicht<br />
in der Funktion von Hausverwaltungsvereinen<br />
erschöpfen, sondern als Hausbesitzer auch den<br />
inhaltlichen Vorgaben der Naturfreundeprogrammatik<br />
entsprechen. Der Häuserbau als praktisch<br />
gewendeter Klassenkampf am Anfang des 20ten<br />
Jahrhunderts, wird nun, am Ende des 20ten Jahrhunderts<br />
umgedeutet als praktisch gelebter<br />
Umweltschutz. Die Rhetorik der Gemein<strong>schaft</strong><br />
wird beibehalten, allerdings fungieren die Häuser<br />
nun nicht mehr als Zeichen des Aufstiegs<br />
der Arbeiterklasse, sondern als Identifikationsobjekte<br />
für (individualisierte) Mitglieder einer<br />
Ortsgruppe. In einem Versuch der Profilschärfung<br />
wird nun als wesentlich erachtet, den veränderten<br />
Bedürfnissen einer ‚Kund<strong>schaft</strong>’ Rechnung<br />
zu tragen, die bei den Naturfreunden eintritt,<br />
um ihre Neigungen und Anliegen zu verwirklichen<br />
(Der Naturfreund 1991, Heft 3).<br />
Es ist vor allem die Macht der Ortsgruppen<br />
und der durch sie gelebten widerständigen Alltagspraxis,<br />
die sich vor wie nach dem zweiten<br />
Weltkrieg immer wieder von den programmatischen<br />
Vorgaben abkoppelt und ‚dem reinen<br />
Wandervergnügen anheim fällt‘. Dies löst<br />
einerseits erneut die Suche nach dem ‚guten<br />
Naturfreund‘. Während die Uneindeutigkeit,<br />
der Dissens und die Pluralität vom Verband<br />
der Naturfreunde zur Zeit der Weimarer Republik<br />
jedoch nicht anerkannt wurden und letztlich<br />
zu Ausgrenzungsprozessen geführt haben, geht<br />
es heute um eine neue Positionierung. Die Orientierung<br />
am Dienstleistungsgedanken mit<br />
KundInnen und Interessensorientierung, ein<br />
neuer Führungsstil und fortschreitende Professionalisierung<br />
unterstützen diese Entwicklung.<br />
Pluralisierung wird nicht mehr als Gefahr<br />
gesehen, sondern wird auch auf der orga-<br />
107<br />
nisatorischen Ebene anerkannt und führt zu<br />
verschiedenen Varianten der Mitglied<strong>schaft</strong>.<br />
Man kommt damit auch den neuen, projektorientierten<br />
Engagementformen und flexiblen Verortungsstrategien<br />
der Subjekte entgegen und<br />
schafft so neue, stärker selbstbestimmte Zugangsformen.<br />
4 Dis-Kontinuität der Tradition oder<br />
Neuerfindung der Naturfreunde?<br />
In der Rekonstruktion der Entwicklung der<br />
Naturfreunde seit ihrer Gründung gibt es immer<br />
wiederkehrende thematische Spannungsfelder.<br />
Bei aller Veränderung, die sich in 100 Jahren<br />
Geschichte vollzogen haben, sorgen sie auf der<br />
Metaebene der Diskurse und Interpretationen<br />
für Kontinuität. Beispiele für diese zentralen<br />
Spannungsfelder und Ambivalenzen sind:<br />
• auf der allgemein-programmatischen Ebene<br />
die Austarierung der Schwerpunkte Freizeit,<br />
Kultur, Bildung und Politik;<br />
• auf der programmatischen Diskursebene um<br />
das Natur-Mensch Verhältnis ein Changieren<br />
zwischen den Positionen eines neoromantischen,<br />
eines technizistischen und eines<br />
schützenden Naturverständnisses;<br />
• auf der Organisationsebene die Gratwanderung<br />
zwischen der Betonung der Autonomie<br />
der Ortsgruppen und einem Zentralismus<br />
übergeordneter Organisationseinheiten;<br />
• auf der Vernetzungsebene der Bezug zwischen<br />
bürgerlichen Parallelvereinen und der<br />
Arbeiterkultur sowie immer auch zwischen<br />
SPD-Nähe und SPD-Distanz;<br />
• auf der Ebene der Alltagspraxis das für viele<br />
Organisationen typische Verhältnis zwischen<br />
einer innovativen und oft neue Wege gehenden<br />
Jugendorganisation und der traditionaler<br />
denkenden und weniger dynamisch handelnden<br />
Erwachsenenorganisation; sowie<br />
das Spannungsfeld zwischen programmatischen<br />
Anspruch und einer widerständigen<br />
Alltagspraxis.