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schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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74<br />

Nimmt man allerdings in den Blick, dass<br />

volkswirt<strong>schaft</strong>lich niemals alle notwendigen<br />

Pflegeleistungen aus dem Sektor ‚Nursing und<br />

Care‘ als Dienstleistungen erbracht und bezahlt<br />

werden, sei es nun aus Privatmitteln oder aus<br />

Mitteln sozialer Sicherungssysteme, wird deutlich,<br />

dass bei einer Gesamtbetrachtung alle Akteure<br />

im Sektor der Pflege auf wohlfahrtspluralistische<br />

Bewältigungsformen angewiesen sind.<br />

Die relative finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung<br />

basiert einzig und allein auf der unerwartet<br />

hohen Familienpflegebereit<strong>schaft</strong>, das<br />

heißt auf der Leistungsfähigkeit des informellen<br />

Sektors. Wäre diese so nicht gegeben, wären<br />

die Pflegedienste in ihren Entgeltniveaus<br />

höchst wahrscheinlich schon längst nicht mehr<br />

dort, wo sie heute sind. Die Verteidigung eines<br />

aus haushaltsökonomischer Perspektive vergleichsweise<br />

hohen Preisniveaus für pflegerische<br />

Dienstleistungen basiert auf einer limitierten<br />

Inanspruchnahme dieser Leistungen durch<br />

die Berechtigten. 1<br />

Gemeinwirt<strong>schaft</strong>liche mit erwerbswirt<strong>schaft</strong>lichen<br />

Zielsetzungen und Logiken in Verbindung<br />

zu bringen, ist im Zusammenhang mit<br />

wohlfahrtspluralistischen Ansätzen eine wichtige<br />

Herausforderung auf institutioneller Ebene.<br />

Auf der staatlichen Ebene konkurrieren<br />

immer noch, wenn auch moderat, liberale, konservative<br />

und sozialdemokratische Modelle und<br />

Konzepte sozialstaatlicher Sicherung, auch im<br />

Bereich der Pflege. Sie akzentuieren unterschiedlich<br />

die Beiträge des Marktes (besonders<br />

im liberalen Politikansatz akzentuiert), der Familie<br />

(eher in konservativen Politikansätzen) und<br />

die des Staates (eher sozialdemokratischer Politikkonzepte).<br />

Wohlfahrtspluralismus versucht<br />

eine Verbindung, eine Melange aus unterschiedlichen<br />

Steuerungslogiken. Bei einer jeweils interessengeleiteten<br />

Sozialpolitik wird das Bestandsinteresse<br />

bestimmter Akteure (Sozialversicherungen,<br />

Anbieter sozialer Dienstleistungen<br />

auf Märkten, Wohlfahrtsverbände) in klassisch<br />

korporatistischen Strukturen als eine allein auf<br />

Thomas Klie<br />

die Produktion möglichst großer Wohlfahrt ausgerichtete<br />

Politik verteidigt. Für alle Akteure<br />

bietet aber ein wohlfahrtspluralistischer Ansatz<br />

interessante, sie häufig auch auf ihre ideologischen<br />

Wurzeln zurückführende Strategien der<br />

Modernisierung.<br />

Es lassen sich vier Megatrends eines wohlfahrspluralistischen<br />

Diskurses (Evers/Olk 1996;<br />

Klie/Ross 2005) ausmachen, die die Diskussion<br />

auch im Bereich der Pflege und Betreuung<br />

bestimmen. Da ist zunächst die neue Bedeutung<br />

des informellen Sektors. Das Vorhandensein und<br />

die Leistungsfähigkeit von Familien, Nachbar<strong>schaft</strong>en<br />

und anderen informellen Netzwerken<br />

ist konzeptionell und politisch in den vergangenen<br />

Jahrzehnten eher vernachlässigt worden.<br />

Man hat auf Familien gesetzt, ohne die Voraussetzungen<br />

dafür zu schaffen, dass sie sich in<br />

einer modernen Gesell<strong>schaft</strong> auch weiter so entfalten,<br />

wie dies der Wohlfahrtsstaat voraussetzt.<br />

Im Bereich der Pflege und Betreuung wirkt sich<br />

eine Vernachlässigung der Familienpolitik in den<br />

letzten Jahrzehnten in dem allein demographisch<br />

schon voraussagbaren Rückgang des so genannten<br />

Pflegepotentials aus. Hinzu tritt ein<br />

Mentalitätswandel in der Bevölkerung, der die<br />

Pflegebereit<strong>schaft</strong>, die die Finanzierung der Pflegeversicherung<br />

heute vergleichsweise stabil<br />

gehalten hat, so nicht mehr voraussetzen lässt.<br />

Wenn wir aber weiter auf das Primat der innerfamiliaren<br />

Solidarität als Hauptproduktionsstelle<br />

von Wohlfahrt auch im Feld der Pflege und<br />

Betreuung setzen, gewinnt der informelle Sektor<br />

auch als ein durch entsprechende Rahmenbedingungen<br />

zu fördernder Sektor an Bedeutung.<br />

Nicht zuletzt durch die Einführung der Pflegeversicherung<br />

und die europarechtlichen Kontexte<br />

hat der Markt von Humandienstleistungen<br />

in Haushalt und in Pflege und Betreuung<br />

an Bedeutung gewonnen. Der Zuwachs an Pflegediensten<br />

geht im Wesentlichen auf das Konto<br />

erwerbswirt<strong>schaft</strong>lich orientierter Anbieter. Die<br />

Land<strong>schaft</strong> der Anbieter von Humandienstleis-

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