schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Zivile Inseln und ,No go areas‘<br />
Quellen eines normativ gehaltvollen Demokratieverständnisses<br />
suchen. Im Mittelpunkt steht<br />
bei ihr die aus antiken Quellen wieder belebte<br />
Idee der Republik. Die „res publica“ ist eine<br />
Vereinigung von Bürgern auf der Basis wechselseitiger<br />
Verpflichtung. Sie ruft Institutionen<br />
und Gesetze ins Leben, aber was diesen Institutionen<br />
Macht verleiht, das ist die Aktualisierung<br />
des „ursprünglichen Konsenses“, die Unterstützung<br />
und Zustimmung des Volkes. Einmal<br />
eingerichtete Institutionen leben nicht von selbst,<br />
sie sind Manifestationen von durch (Zusammen-)Handeln<br />
gebildeter Macht. Je mehr sich<br />
Bürger mit den Gesetzen identifizieren, sie als<br />
ihre eigenen betrachten, desto mehr wächst ihr<br />
Gefühl der Zuständigkeit. Gute Bürger achten<br />
selbst darauf, dass die Regeln der Gerechtigkeit,<br />
auf denen ihre Republik gründet, aufrechterhalten<br />
werden. Sie geben sich nicht damit zufrieden,<br />
Verantwortung an externe Instanzen zu<br />
delegieren. Die amerikanische Politikwissen<strong>schaft</strong>lerin<br />
Judith Shklar (1992: 69ff.) nennt<br />
„passive Ungerechtigkeit“ eine Haltung von<br />
Bürgern, die alle Verantwortung an Beauftragte<br />
der Regierung abgeben, auch wenn sie mit klar<br />
zu tage tretendem Unrecht konfrontiert sind. Sie<br />
versagen in ihrer Eigen<strong>schaft</strong> als Bürger durch<br />
Gleichgültigkeit, durch bewusstes Weggucken<br />
und Übersehen. Bürger in einer konstitutionellen<br />
Demokratie zu sein, bedeute jedoch aktiv<br />
jene informellen Beziehungen zu unterstützen,<br />
auf denen die republikanische Ordnung beruht:<br />
eine egalitäre, auf gleiche Achtung gegründete<br />
Lebensweise.<br />
Der hier skizzierte Hintergrund bindet Zivilcourage<br />
in ein republikanisches Bürgerverständnis<br />
ein und legt nahe, sie als alltägliche und<br />
allgemein zumutbare Bürgertugend zu verstehen.<br />
Sie sollte als Alltagstugend im öffentlichen<br />
Leben zu begriffen werden – entgegen mancher<br />
Neigungen, die Anforderungen in heroische<br />
Höhen zu schrauben 3 . Beispiele moralischer<br />
Heiliger – bewundernswert, aber unerreichbar<br />
für die Mehrheit – würden die Vielen mit der<br />
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nachvollziehbaren Begründung entlasten: ‚Ich<br />
bin ja kein Held‘. Natürlich kann Zivilcourage<br />
heroische Handlungen verlangen, wenn die<br />
Widerstände besonders groß sind. Aber damit<br />
sie als Sicherung bürgerlicher Prinzipien wirken<br />
kann, muss dies keinesfalls notwendig der<br />
Fall sein. Eine lebendige Republik erhält sich<br />
weniger durch einzelne heroische als durch viele<br />
aktive Bürger. Damit ist keine Dauerpartizipation<br />
im öffentlichen Leben gemeint, sondern<br />
mit Bezug auf Zivilcourage eher eine prinzipielle<br />
Handlungsbereit<strong>schaft</strong>, die Fähigkeit zur Intervention,<br />
wenn Situationen moralisch problematisch<br />
werden. Zwar muss das individuelle<br />
Urteilsvermögen mit einem hinreichend funktionsfähigen<br />
Seismographen für das Aufspüren<br />
von Ungerechtigkeit ausgestattet sein, um Alarm<br />
schlagen zu können. Doch für Bürger, die sich<br />
in einer lebendigen Beziehung mit anderen aktiven<br />
Bürgern befinden, wird Zivilcourage Teil<br />
bürger<strong>schaft</strong>lichen Handelns im Allgemeinen<br />
sein.<br />
3 Zivilcourage und „moderne<br />
Barbarei“<br />
Damit sind wir bei der Frage, was Zivilcourage<br />
fördert. Über Zivilcourage lässt sich nicht reden,<br />
ohne auch die Zivilgesell<strong>schaft</strong> ins Auge<br />
zu fassen. In der aktuellen Diskussion um bürger<strong>schaft</strong>liches<br />
Engagement wird zu Recht herausgestellt,<br />
dass zivilgesell<strong>schaft</strong>liche Netzwerke<br />
ein ermutigendes Klima für Zivilcourage bilden.<br />
Denn sie tragen dazu bei, dass Bürger ‚ihren’<br />
öffentlichen Raum verteidigen und dies nicht<br />
nur an Polizei und Verfassungsschutz delegieren<br />
(Deutscher Bundestag 2002: 36). Wo zivilgesell<strong>schaft</strong>liche<br />
Netzwerke fehlen, herrscht in<br />
höherem Maße Verantwortungslosigkeit, Anonymität<br />
und Misstrauen. Je dichter diese Netze<br />
sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass Bürger<br />
zugunsten ihres gemeinsamen Wohls kooperieren.<br />
Dabei kann man durchaus relativ kleinteilig<br />
ansetzen und die Dichte sozialer Kontakte