schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Neue Rahmenbedingungen der Zivilgesell<strong>schaft</strong><br />
heit jedoch liegt es an den Bürgern, dem Staat<br />
das zu gewähren, was er zur Erfüllung der Aufgaben,<br />
die ihm die Bürger übertragen haben,<br />
nach ihrer Einschätzung braucht. Gerade in den<br />
Parlamenten erscheint diesbezüglich ein radikaler<br />
Umdenkungsprozess erforderlich. In der<br />
echten Bürgergesell<strong>schaft</strong> werden hier die Interessen<br />
der Bürger gegenüber der Staatsverwaltung,<br />
nicht die der Staatsverwaltung gegenüber<br />
dem Bürger vertreten.<br />
Über diese Grundlagen unserer staatlichen<br />
Verfasstheit und einer Reihe weiterer Auswirkungen<br />
muss Klarheit herrschen, wenn eine<br />
Reform, die diesen Rahmen verdient, gelingen<br />
soll. Obwohl die Enquete-Kommission des<br />
Bundestages ‚Zukunft des Bürger<strong>schaft</strong>lichen<br />
Engagements‘ schon 2002 hierzu Entscheidendes<br />
erarbeitet und veröffentlicht hat (Enquete-<br />
Kommission 2002), lassen bisher gemachte<br />
Vorschläge die notwendige Klarheit über das<br />
Ziel einer Reform weitgehend vermissen.<br />
2 Die traditionalistische Reform<br />
Der wissen<strong>schaft</strong>liche Beirat beim Bundesministerium<br />
der Finanzen legte im August 2006<br />
Vorschläge vor, denen eine rein ökonomische<br />
Betrachtungsweise zugrunde liegt (Bundesfinanzministerium<br />
2006b). Sie bilden einen hilfreichen<br />
Diskussionsbeitrag, lassen jedoch die<br />
gesell<strong>schaft</strong>spolitische und ordnungspolitische<br />
Dimension nahezu vollständig außer Betracht.<br />
Das Bundesfinanzministerium legte am 15.<br />
Dezember 2006 einen Referentenentwurf für<br />
die Reform des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts<br />
vor (Bundesfinanzministerium<br />
2006a). Dieser geht zwar deutlich über den<br />
bisher auf Grund der bekannt gewordenen Arbeitspapiere<br />
und Äußerungen der damit befassten<br />
Mitarbeiter vermuteten Rahmen hinaus, beschränkt<br />
sich jedoch nach wie vor auf rein steuertechnische<br />
Korrekturen. So interessant einige<br />
von diesen erscheinen, so erweisen sie sich doch<br />
bei genauerer Analyse als ein neuer Zuckerguss,<br />
43<br />
der über das alte System gelegt wird. Der notwendige<br />
Paradigmenwechsel ist in dem Entwurf<br />
der Körper<strong>schaft</strong>ssteuerexperten nicht enthalten.<br />
Im Gegenteil: Strukturkonservative Teile<br />
der Zivilgesell<strong>schaft</strong> und staatsnütziges Handeln<br />
ohne Entlohnung werden zu Lasten selbstermächtigten,<br />
selbstorganisierten Handelns für<br />
die Gemein<strong>schaft</strong> überproportional gefördert.<br />
Daran hat sich auch in der durch zahlreiche Stellungnahmen<br />
veranlassten Überarbeitung nichts<br />
wesentliches geändert. Auch in seiner jetzigen<br />
Fassung als Regierungsentwurf bleibt der Text<br />
eine Mogelpackung. Bürger<strong>schaft</strong>liches Engagement<br />
wird nicht gestärkt, schon gar nicht ‚weiter’<br />
gestärkt, sondern bestimmte Klientel-Gruppen<br />
und Interessenvertreter werden gestreichelt.<br />
So wurde jahrzehntelang in der alten Bundesrepublik<br />
Politik gemacht.<br />
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung<br />
hatte 2005 die Reform des Gemeinnützigkeitsrechts<br />
in das Programm der Bundesregierung<br />
aufgenommen. Der Gesetzentwurf ist daher Teil<br />
des Regierungsprogramms. Bundestag und<br />
Bundesrat sollen nach dem Willen der Bundesregierung<br />
das parlamentarische Verfahren bis<br />
zur Sommerpause 2007 abschließen, das neue<br />
Recht rückwirkend zum 1. Januar 2007 in Kraft<br />
treten. Dass sich die Dachverbände der Zivilgesell<strong>schaft</strong><br />
(Deutscher Naturschutzring, Deutscher<br />
Kulturrat, Deutscher Olympischer Sportbund,<br />
Bundesarbeitsgemein<strong>schaft</strong> der Freien<br />
Wohlfahrtspflege, Venro, Deutscher Spendenrat,<br />
Bundesverband Deutscher Stiftungen) zu<br />
einer Projektgruppe zusammengeschlossen haben,<br />
um eigene Vorschläge zu erarbeiten und<br />
gemeinsam zu Vorschlägen der Bundesregierung<br />
Stellung zu beziehen, ist in sich ein beachtenswerter<br />
Schritt. Die aus diesem historischen<br />
Schulterschluss entstandenen Vorschläge gehen<br />
gewiss in die richtige Richtung. Aber sie sind,<br />
wie nicht zuletzt von politischer Seite angemerkt<br />
wurde, kleinteilig und traditionalistisch. Sie gehen<br />
auf die Wünsche ihrer Mitglieder, wohl auch<br />
auf die der dort tätigen Funktionäre, aber nicht