schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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Engagementpotentiale im Pflegebereich<br />
geht davon aus, dass Wohlfahrt immer in einem<br />
Mix produziert wird. Dabei spielen verschiedene<br />
gesell<strong>schaft</strong>liche Akteure eine Rolle, in ihren<br />
verschiedenen Handlungsformen, unterschiedlichen<br />
Motiven und Interessen. In einem modernen<br />
Staat hängt Wohlfahrt vom gelingenden<br />
und gut inszenierten Zusammenspiel bzw. Mix<br />
von Staat, Markt, Drittem Sektor und dem informellen<br />
Sektor (Haushalte und Familien) ab.<br />
Eine so verstandene gemischte Wohlfahrtsproduktion<br />
ist ein alltägliches Phänomen und<br />
dies nicht erst heute. Dies gilt für die Kindererziehung,<br />
es gilt aber auch für das Feld der Pflege<br />
und Betreuung und die Aktivitäten zur gesell<strong>schaft</strong>lichen<br />
Integration von Menschen mit<br />
Behinderungen. Sie für eine nachmoderne Gesell<strong>schaft</strong><br />
im demographischen Wandel bei begrenzter<br />
Leistungsfähigkeit des Sozialstaates<br />
und sich verändernder Solidarität in Familien<br />
und sozialen Netzwerken anzupassen bzw. neu<br />
zu formulieren, wird als Voraussetzung für eine<br />
nachhaltige Sicherung von Pflege und Betreuung<br />
verstanden. Dabei spielt das Feld der Pflege<br />
und Betreuung von und für ältere Menschen<br />
im wohlfahrtspluralistischen Diskussionszusammenhang<br />
eine besondere Rolle. Es handelt<br />
sich beim Welfare Mix nicht um ein Rezept für<br />
einen bestimmten Cocktail an Hilfemixturen, das<br />
einfach anzurichten wäre. Bei einer nicht nur<br />
analytischen nachvollzogenen, sondern strategisch<br />
ausgerichteten wohlfahrtspluralistischen<br />
Diskussion handelt es sich um einen vor allem<br />
voraussetzungsvollen Politikansatz, von dem<br />
keiner behaupten sollte, er sei einfach zu realisieren.<br />
Auf der persönlichen Ebene der Bürgerinnen<br />
und Bürger trifft er auf je unterschiedliche Lebenslagen<br />
(Schulz-Nieswand 2006) sowie unterschiedliche<br />
Bedarfssituationen, Mentalitäten<br />
und Ressourcen. Beispielsweise zuzulassen,<br />
dass fremde, bürger<strong>schaft</strong>lich Engagierte sich<br />
beteiligen an der Bewältigung einer privaten<br />
Lebenssituation, ist keineswegs selbstverständlich.<br />
So ist es in kulturell eher hermetisch abge-<br />
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schlossenen gesell<strong>schaft</strong>lichen Gruppierungen,<br />
etwa in bestimmten Migrantengruppen, kaum<br />
vorstellbar, Dienstleistungen auf Märkten zur<br />
Bewältigung der Pflegebedürftigkeit einzukaufen<br />
oder überhaupt professionelle Unterstützung<br />
in einem Aufgabenfeld zuzulassen, dass ganz<br />
wesentlich verstanden wird als Bewährungsprobe<br />
für familiare Solidarität. In bestimmten<br />
gesell<strong>schaft</strong>lichen Milieus ist andererseits eine<br />
manifeste Sozialstaatserwartung habitualisiert,<br />
die auch im Bereich der Pflege nicht von einer<br />
Teil- sondern von einer Vollkaskoverantwortung<br />
des Staates ausgeht. Gleichwohl sind faktisch<br />
Welfare Mix-Phänomene verbreitet, wenn auch<br />
mitnichten als solche immer begriffen und bewusst<br />
gestaltet.<br />
Aber auch auf der institutionellen Ebene –<br />
etwa der Erbringer von sozialen und pflegerischen<br />
Dienstleistungen – trifft eine Welfare<br />
Mix-Logik nicht nur auf Akzeptanz. In rein<br />
erwerbswirt<strong>schaft</strong>lich ausgerichteten Betrieben,<br />
etwa von Pflegediensten mit einer expliziten<br />
Profitorientierung, geht es primär darum,<br />
möglichst viele Dienstleistungen am Markt refinanziert<br />
durch die Sozialversicherung zu ‚verkaufen‘.<br />
Es fällt ihnen nicht nur schwer, sich<br />
als Akteure eines Welfare Mixes in dem Verkauf<br />
der eigenen Dienstleistung zurückzuhalten<br />
und nicht – etwa über Strategien der Qualitätssicherung<br />
– Domänen für die Erbringung<br />
von pflegerischen Leistungen zu erkämpfen<br />
und zu verteidigen. Eine solche Zurückhaltung<br />
ist auf den ersten Blick auch gar nicht zu vereinbaren<br />
mit einer erwerbswirt<strong>schaft</strong>lichen<br />
Ausrichtung von Pflegediensten. Wohlfahrtsverbände<br />
in ihren unterschiedlichen Handlungslogiken<br />
– hier Marktanbieter, dort intermediäre<br />
Instanz oder auch Anwalt der Klienten<br />
– können wohlfahrtspluralistische Konzepte<br />
eher aufnehmen, auch wenn es bei einer stärkeren<br />
Verselbständigung von Einzelbetrieben<br />
und Kostenstellen ohnehin schwerer fällt, sich<br />
im wesentlichen gemeinwirt<strong>schaft</strong>lich auszurichten<br />
und zu verstehen.