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schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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Rupert Graf Strachwitz<br />

Neue Rahmenbedingungen der Zivilgesell<strong>schaft</strong> 1<br />

Für einen Paradigmenwechsel im Gemeinnützigkeitsrecht<br />

Die Zivilgesell<strong>schaft</strong> 2 ist ein aus sich selbst<br />

heraus definiertes gesell<strong>schaft</strong>liches Aktionsfeld.<br />

Sie braucht jedoch Rahmenbedingungen,<br />

die nach unserem Verständnis von der Aufgabenverteilung<br />

unter den gesell<strong>schaft</strong>lichen Akteuren<br />

vom Staat, genau gesagt von der Volksvertretung<br />

zu setzen sind. Insofern ist das Selbstverständnis<br />

dieses Staates auch für das Handeln<br />

der Zivilgesell<strong>schaft</strong> von Bedeutung. Das<br />

Staatsmodell, das seit rund 200 Jahren allen<br />

Überlegungen des Gesetzgebers zugrunde liegt,<br />

beruht auf den Erfahrungen der Religionskriege<br />

in Europa, die im 16. und 17. Jahrhundert<br />

stattgefunden haben. Seit dieser Zeit gilt der<br />

Staat, gleich ob er republikanisch oder monarchisch<br />

verfasst ist, als letzte Instanz in allen<br />

Angelegenheiten. Ihm steht das Gewaltmonopol<br />

zu. Darüber hinaus nimmt er ein Gestaltungsmonopol<br />

für alles Öffentliche in Anspruch<br />

und beansprucht eine Kontrolle und Aufsichtsführung<br />

über alles Private.<br />

Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts erleben<br />

wir parallel dazu, von Nordamerika ausgehend,<br />

den Kampf um die demokratische Legitimation<br />

des Staatshandelns: ‚No taxation without representation‘.<br />

Dieser Kampf zieht sich bis in die<br />

Jetztzeit. Zweifellos ist die Binnenstruktur des<br />

Staates demgemäß heute eine andere als vor 350<br />

oder auch 200 Jahren. Das Grundmodell hingegen<br />

gilt trotz schlimmster Erfahrungen in der<br />

NS-Zeit in Deutschland bis heute fort.<br />

Dass es gilt, bedeutet allerdings nicht, dass<br />

es noch intakt wäre. Es erscheint vielmehr innerlich<br />

zerrüttet, ja erodiert. Ursachen dafür liegen<br />

in der Bevölkerungsexplosion und den damit<br />

und mit der Industrialisierung und Urbanisierung<br />

verbundenen Identifikationsproblemen.<br />

<strong>Forschungsjournal</strong> NSB, Jg. 20, 2/2007<br />

Sie liegen in der Revolution der Kommunikation,<br />

in der Emanzipation des Marktes von jener<br />

staatlichen Aufsicht, aber auch in dem vielfach<br />

zu beobachtenden Marktversagen. Die Internationalisierung<br />

und Entnationalisierung der<br />

Staatsgewalt tragen ebenso dazu bei (Wirsching<br />

2006) wie die aus dem Kompetenzverfall des<br />

Staates resultierende, tiefgreifende Vertrauenskrise.<br />

Nicht zuletzt kann auch die aus einem<br />

Gefühl der Ohnmacht erwachsene Staatsverdrossenheit<br />

als Ursache angeführt werden.<br />

Im Ergebnis erscheint jedenfalls die Komplexität<br />

der Herausforderungen, die von der<br />

Gesell<strong>schaft</strong> zu bewältigen sind, so groß zu sein,<br />

dass diese nicht mehr in traditioneller Weise<br />

administrierbar sind. Wir sind auf einen Kreativitäts-<br />

und Engagementschub angewiesen und<br />

müssen dafür Verluste an administrativer Durchdringung<br />

und organisatorischer Stringenz nicht<br />

nur in Kauf nehmen, sondern geradezu herbeisehnen,<br />

sind sie doch der Entfaltung dieser Kreativität<br />

hinderlich. Förderlich hingegen ist ein<br />

hohes Maß an Chaos. Das Modell des Staates<br />

als universelle Leitinstanz muss daher als überholt<br />

gelten. Bürgergesell<strong>schaft</strong>, Pluralität gesell<strong>schaft</strong>licher<br />

Aktion und ein polyarchisches Herr<strong>schaft</strong>smodell<br />

erscheinen eher geeignet, die<br />

Herausforderungen des 20. Jahrhunderts zu<br />

meistern. Folgt man diesem Ansatz, geht es bei<br />

der Reform der Rahmenbedingungen für ein<br />

alternatives öffentliches Aktionsfeld nicht primär<br />

um die Entlastung des Staates in finanzieller<br />

Hinsicht, schon gar nicht um steuertechnische<br />

Korrekturen und nicht einmal um die Folgen<br />

des Offenbarungseides des Staates, dessen<br />

Vertreter ja durchaus zugeben, der Staat könne<br />

nicht mehr alles leisten. 3 Es geht vielmehr um

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