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schaft - Forschungsjournal Soziale Bewegungen

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sage der Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium<br />

Barbara Hendriks, die sie in der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung vom 9. August 2006<br />

vertrat: „Das derzeitige Recht entspricht nicht<br />

mehr den Anforderungen“, auch wenn sie damit<br />

sicher nicht auf die grundsätzlich veränderten<br />

Parameter, sondern auf steuertechnische<br />

Unzulänglichkeiten anspielte.<br />

Geblieben ist bis heute der Grundsatz des<br />

Privilegs. Analog zur königlich privilegierten<br />

Schützengesell<strong>schaft</strong> des 19. Jahrhunderts unterliegen<br />

Körper<strong>schaft</strong>en, die Aufgaben des allgemeinen<br />

Wohls wahrnehmen und bestimmte<br />

formale Attribute aufweisen, nicht etwa nicht<br />

der Besteuerung, sondern sie gelten als ‚privilegiert‘,<br />

‚begünstigt‘ oder ‚vergünstigt‘ – eine<br />

Begrifflichkeit, die dem 18. Jahrhundert angemessen<br />

gewesen sein mag, keinesfalls aber dem<br />

21. gemäß ist. 4 Misst man diese Begrifflichkeit<br />

an dem politischen Theorem der Bürgergesell<strong>schaft</strong>,<br />

folgt man also dem Grundsatz, dass die<br />

öffentlichen Aktionsfelder auf gleicher Augenhöhe<br />

miteinander kommunizieren, muss gelten,<br />

dass sie ebenso wie staatliche Einrichtungen nicht<br />

besteuert werden. Die Praxis hält die Aufsicht<br />

und Kontrolle durch die Finanzverwaltung aufrecht,<br />

beginnend bei der Zuerkennung des angeblich<br />

privilegierten Status. Geblieben ist der<br />

Tatbestand, dass gemeinnützige Körper<strong>schaft</strong>en<br />

stets nur gemeinnützig gewesen sind, d.h.,<br />

erst nach der Prüfung durch die Staatsorgane<br />

wird ihnen zugebilligt, sie hätten für das allgemeine<br />

Wohl gehandelt. Dies muss sich ändern,<br />

wenn das Engagement, das Stiften von Zeit,<br />

Ideen und Vermögenswerten mehr sein soll als<br />

eine nette, aber nebensächliche ‚Ergänzung‘.<br />

Geblieben ist im Kern der Grundsatz der<br />

Staatsnützigkeit. Dienstleistungen, die mit Hilfe<br />

bürger<strong>schaft</strong>lich Engagierter billiger erbracht<br />

werden, erscheinen dem Gesetzgeber als nützlich.<br />

Die Themenanwalt<strong>schaft</strong> dagegen erscheint<br />

ihm suspekt. Besonders suspekt erscheint ihm<br />

bürger<strong>schaft</strong>liches Engagement als solches. Im<br />

laufenden Gesetzgebungsverfahren (Bundesre-<br />

Rupert Graf Strachwitz<br />

gierung 2007) hat der Bundesrat den von der<br />

Bundesregierung diesbezüglich vorgeschlagenen<br />

Zusatz zu der gültigen Liste steuerbegünstigter<br />

Zwecke mit der Begründung, er sei „entbehrlich<br />

und damit überflüssig“, wieder gestrichen<br />

(Bundesrat 2007: 5). Dies muss sich ändern,<br />

wenn wir eine Bürgergesell<strong>schaft</strong> schaffen<br />

wollen, d.h. eine Gesell<strong>schaft</strong>, die umfassend<br />

von den Bürgerinnen und Bürgern lebt,<br />

eine Gesell<strong>schaft</strong>, in der der Staat umfassend<br />

subsidiär zu den Bürgern tätig wird, nicht etwa<br />

umgekehrt.<br />

Geblieben ist überdies eine kuriose, abstrakte<br />

Vorstellung von Altruismus als Richtschnur<br />

der Einschätzung, ob zu begünstigendes Handeln<br />

vorliegt oder nicht. Lebenserfüllung, Freude,<br />

Integration, Partizipation, lebenslanges Lernen,<br />

Schule der Demokratie – dies alles sind im<br />

Sinne der Nichtbesteuerung negativ besetzte<br />

Begriffe. Dies muss sich ändern, wenn die Zivilgesell<strong>schaft</strong><br />

ihren Kernauftrag in der Gesell<strong>schaft</strong><br />

erfüllen soll, der eben gerade darin besteht,<br />

zur Lebenserfüllung der Bürger, zu ihrer<br />

Partizipation an den öffentlichen Angelegenheiten<br />

und zu ihrer Integration in die Gesell<strong>schaft</strong><br />

beizutragen. Gerade hier wird zum einen sichtbar,<br />

dass mit zweierlei Maß gemessen wird.<br />

Überall sonst sieht sich der Gesetz- und Verordnungsgeber<br />

in der Rolle, Anreize für bestimmtes<br />

von ihm gewolltes Handeln zu bieten.<br />

Anreize zu bürger<strong>schaft</strong>lichem Engagement hingegen<br />

sollen nur dann zulässig sein, wenn der<br />

Staat sie gnadenhalber gewährt (‚privilegiert‘/<br />

‚begünstigt‘), im übrigen aber gelten sie als<br />

schädliche Gegenleistungen. Zum anderen lässt<br />

sich gerade hier überaus deutlich erkennen, wie<br />

sehr unser derzeitiges Konzept von Gemeinnützigkeit<br />

Staats- und nicht Bürgerinteressen<br />

widerspiegelt. Wenn die Absetzbarkeit von Spenden<br />

von der Steuerlast als Privileg betrachtet<br />

wird, welches dieser Staat gewähren oder verweigern<br />

kann, dann wird damit unterstellt, der<br />

Staat habe zunächst einen Anspruch auf alles,<br />

was der Bürger erwirbt oder besitzt. In Wahr-

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