Andreas Pasewaldt, Nadine Walter, Anne Klein-Hitpaß, Judith Utz
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Geographisches Institut<br />
Gebhardt, D.; Schnur, O. (Hrsg.):<br />
Wohnmobilität und Lebensstile<br />
Arbeitsberichte Nr. 90, 2003<br />
103<br />
In den Erdgeschoss- und Bel-Etage-Wohnungen haben sich immer mehr<br />
Dienstleister niedergelassen. Die Aufhebung des Zweckentfremdungsverbotes erlaubte<br />
diesen Umwidmungsprozess, der vor allem auf Kosten der türkisch- und arabischstämmigen<br />
Bevölkerung im Gebiet ging, die sich heute entsprechend seltener<br />
im Gebiet befinden als noch vor 10 Jahren. Der Trend zum Trendgeschäft und Lifestyleshopping<br />
im Chamissokiez hat sich gefestigt.<br />
Auf dem Spielplatz am Chamissoplatz wurden im Jahre 2008 „im Interesse der Sicherheit<br />
und einer besseren Platzgestaltung“ marode Spielgeräte abgebaut und durch<br />
ein von den Anwohnern finanziertes Kunstobjekt ersetzt. Im Sommer funktioniert<br />
der Platz als ausgelagertes Büro für zahlreiche berufstätige Frauen und Männer, die<br />
mit ihrem Laptop auf den Wiesen und Bänken sitzen. Die Cafes und Läden rund um<br />
den Chamissoplatz haben sich auf ihre Klientel eingestellt, italienische Kaffeespezialitäten<br />
sind nach wie vor gefragt.<br />
Auf dem Gelände des ehemaligen Umspannwerkes gibt es jetzt einen weiteren Car–<br />
Sharing-Service. Das System hat sich inzwischen auch in vielen anderen Stadtteilen<br />
etablierten, die Nutzungsdichte im Chamissokiez gilt aber als modellhaft und die<br />
Bewohnerschaft spielt eine Art Vorreiterrolle für die Stadt.<br />
Die soziale Infrastruktur im Gebiet, die zum Teil aus Eigeninitiativprojekten der<br />
80er Jahre entstanden war, dünnte sich mit der veränderten Bevölkerungsstruktur<br />
langsam aus. „Hier hat ein kultureller Wandel stattgefunden. Die heutigen Bewohner<br />
haben einfach andere Prioritäten und Hintergründe, sind eher am privaten Glück<br />
orientiert“, so Frau Ongür, die Leiterin des immer noch existierenden Stadtteilladens<br />
in der Bergmannstraße.<br />
In der Stadtforschung gilt die Entwicklung am Chamissoplatz als Beispiel dafür,<br />
dass Eigentumsbildung nicht immer zu verstärkter Identifikation und vor allem Partizipation<br />
führen muss.<br />
Am Chamissoplatz reißen die Touristenströme noch immer nicht ab, aber irgendwie<br />
ist dem Gebiet in letzter Zeit etwas wichtiges abhanden gekommen. Manche sprechen<br />
schon von einem beliebig gewordenen großstädtischen Wohngebiet.<br />
5.1.2 Alternativszenario 2013<br />
Durch das Verbleiben eines Großteils des Bestandes bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft<br />
(GEWOBAG), wurde einer hohen Privatisierungsrate im Bestand<br />
entgegengewirkt. Dies bedeutete für das Mietniveau einen geringeren Anstieg, als es<br />
in anderen Stadtvierteln der Fall war. Einer Verdrängung von sozial schwächerer<br />
Bevölkerung wurde so zumindest in Teilen entgegengewirkt, ein gewisser sozioökonomischer<br />
Aufwärtstrend stellte sich allerdings trotzdem in der Bevölkerungsstruktur<br />
ein.<br />
Auch Familien blieben dem Gebiet erhalten, wenn auch der Anteil größerer Haushalte<br />
mit Kindern zurückging. Nachdem die Schulen im Gebiet durchweg zu Nutznießern<br />
des neuen Bund-Länder-Sprachförderprogrammes geworden waren, bewertete<br />
man auch die Bildungssituation im Gebiet wieder zunehmend attraktiver.<br />
Auf dem in der öffentlichen Hand belassenen Teil des Gelände des stillgelegten<br />
Flughafens Tempelhof wird zurzeit kräftig gebaut. Hier soll ein frei zugänglicher<br />
Freizeit und Erholungspark entstehen. Es gibt eine Skaterbahn, Bäume wurden gepflanzt,<br />
eine Freilichtbühne errichtet und ein künstlicher Hügel aufgeschüttet.