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Wald und Wild – Grundlagen für die Praxis - BAFU

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> <strong>Praxis</strong>relevante Gr<strong>und</strong>lagen: <strong>Wald</strong>dynamik<br />

Hingegen ist <strong>die</strong> Wasserversorgung <strong>–</strong> beim heutigen Klima in der Schweiz <strong>–</strong> weniger<br />

oft limitierend <strong>für</strong> kleine Bäumchen; <strong>die</strong>s kommt besonders in den Zwischen- <strong>und</strong><br />

Zentralalpen sowie in Föhngebieten vor. Eine weitere Limitierung tritt auf feuchten bis<br />

nassen Standorten in hohen Lagen auf, wo eine üppig wuchernde Hochstaudenvegetation<br />

zusammen mit pathogenen Pilzen <strong>die</strong> Naturverjüngung erschwert [6] . Nach einer<br />

Störung oder nach einem waldbaulichen Eingriff vorhandene, anfänglich vegetationsfreie<br />

<strong>und</strong> damit verjüngungsgünstige Kleinstandorte wachsen hier innert weniger Jahre<br />

insbesondere durch Gräser, Hochstauden <strong>und</strong> Brombeeren zu. Entweder stellt sich <strong>die</strong><br />

Verjüngung in <strong>die</strong>ser Zeit ein, oder dann dauert <strong>die</strong>s Jahrzehnte [17] . Einige konkurrenzstarke<br />

Pflanzenarten wie Adlerfarn oder Brombeeren können auch in Tieflagen <strong>die</strong><br />

<strong>Wald</strong>verjüngung bremsen (Abb. 2-6).<br />

Wie gross der <strong>Wild</strong>einfluss auf den <strong>Wald</strong> war, bevor der Mensch <strong>die</strong> Wälder <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Wild</strong>bestände beeinflusste, ist umstritten. Die Megaherbivoren 8 -Theorie [18] , nach der<br />

grosse Pflanzenfresser <strong>die</strong> mitteleuropäischen <strong>Wald</strong>landschaften relativ offen hielten,<br />

steht im Widerspruch zu historischen Berichten <strong>und</strong> pollenanalytischen Bef<strong>und</strong>en [19] ,<br />

nach denen <strong>die</strong> Wälder dicht geschlossen waren. Die Frage kann aber offen bleiben,<br />

denn eine enge Anlehnung des <strong>Wald</strong>managements auf den vermuteten Naturzustand<br />

von <strong>Wald</strong> <strong>und</strong> <strong>Wild</strong> scheint auf jeden Fall nicht möglich, da der Mensch <strong>die</strong> Wälder<br />

<strong>und</strong> ihr Umfeld massiv umgestaltet hat, z. B. durch Jagd, <strong>Wald</strong>rodungen, Landwirtschaft<br />

<strong>und</strong> Infrastruktur.<br />

Trotz erheblichem <strong>Wild</strong>einfluss auf den <strong>Wald</strong> ist es nicht so, dass das <strong>Wild</strong> <strong>die</strong> Existenz<br />

des <strong>Wald</strong>es gefährdet; auch bei lokal sehr starkem <strong>Wild</strong>einfluss ist das nur selten<br />

der Fall. Das <strong>Wild</strong> ist ein natürlicher Bestandteil des <strong>Wald</strong>es, <strong>und</strong> ein gewisser <strong>Wild</strong>einfluss<br />

auf <strong>die</strong> <strong>Wald</strong>verjüngung daher normal. Das <strong>Wild</strong> kann aber zu <strong>Wald</strong>strukturen<br />

führen, welche <strong>die</strong> Ansprüche des Menschen an den <strong>Wald</strong> (z. B. bezüglich Schutz vor<br />

Naturgefahren oder Holzproduktion) nur noch teilweise erfüllen. So kann <strong>Wild</strong> <strong>die</strong><br />

Anteile der Baumarten verschieben, indem wenig verbissene Arten einen Konkurrenzvorteil<br />

erhalten <strong>und</strong> stark verbissene zurückgedrängt werden (siehe Kap. 1). Dieser<br />

Effekt kann stark sein, da ein erheblicher oder gar der grösste Teil der Stammzahlabnahme<br />

bei Baumhöhen im Verbissbereich stattfindet. Eine Verschiebung der Baumartenanteile<br />

durch <strong>Wild</strong>einfluss kann später nur noch teilweise korrigiert werden, z. B.<br />

wenn <strong>die</strong> Baumarten nach der Verjüngungsphase unterschiedlich konkurrenzfähig oder<br />

langlebig sind oder durch Jungwaldpflege <strong>und</strong> Durchforstung.<br />

Ein Beispiel <strong>für</strong> eine unerwünschte Baumartenverschiebung ist der <strong>Wild</strong> bedingte<br />

Ausfall der Tanne, <strong>die</strong> in Schutzwäldern auf vielen Standorten eine wichtige Rolle<br />

spielt [20] , weil sie weniger durch Borkenkäfer gefährdet ist als <strong>die</strong> Fichte, auf vernässten<br />

Böden tiefer wurzelt <strong>und</strong> sich auch im Schatten verjüngen kann.<br />

Aber nicht nur <strong>die</strong> Baumartenverschiebung, sondern auch <strong>die</strong> Verzögerung des Höhenwachstums<br />

der Verjüngung <strong>und</strong> <strong>die</strong> Stammzahlreduktion ist im Schutzwald ungünstig.<br />

Um das Auftreten von Naturgefahren zu vermindern, dürfen hier zur <strong>Wald</strong>verjüngung<br />

nur kleine Bestandeslücken geschaffen werden (Abb. 2-7). Die sich darin<br />

8 Megaherbivoren: grosse Pflanzenfresser (Vieh, <strong>Wild</strong>)<br />

Einflussfaktor Wasser<br />

Einflussfaktor <strong>Wild</strong><br />

Baumartenverschiebung<br />

Verzögerte Verjüngung<br />

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