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Phänomen-Verlag Norina Ebele

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Wenn ihr dann zum normalen Verstand zurückkommt, versucht<br />

herauszufinden, wie die Menschen über einen Zeitraum von Tausenden und<br />

Tausenden von Jahren die Mathematik erfanden und in welchem Sinne diese<br />

menschliche Erfindung – dieses symbolische Gruppenkunstwerk – realer sein<br />

kann als der Schinken, die Eier und der Kaffee, die du in einem Restaurant zum<br />

Frühstück bestellen kannst. Kannst du wirklich glauben, dass die Welt unserer<br />

abstraktesten Symbole realer ist als die Welt, in der wir unseren Orangensaft<br />

trinken und mit der Kellnerin flirten?<br />

Wenn auf der anderen Seite die Mathematik “weniger real“ ist als der Geruch<br />

von Kaffee, warum hat die Mathematik dann diese überwältigende Genauigkeit<br />

und Vorhersagbarkeit, die sie über die Millennien gezeigt hat? Sicher kann die<br />

menschliche Wahrnehmung in einer genauen Untersuchung als fehlbarer gezeigt<br />

werden als ein gültiges mathematisches Theorem.<br />

Das wird noch mysteriöser, nicht weniger, wenn man es genauer betrachtet.<br />

Der große Mathematiker Eric Temple Bell schloss, nachdem er ein Leben lang<br />

darüber nachgedacht hatte, dass niemand je zufrieden stellend erklärt hat, warum die<br />

Mathematik überhaupt eine Verbindung mit der Welt, die wir wahrnehmen und in der<br />

wir zu leben scheinen, hat.<br />

Zum Beispiel gibt es vier Theorien, wie die Grundkonzepte der Mathematik<br />

bewiesen werden können: 1. die logische Theorie, 2. die formalistische Theorie, 3.<br />

die intuitive Theorie und 4. die Set‐Theorie.<br />

Die logische Theorie, vorangetrieben von Bertrand Russell, behauptet, dass die<br />

Mathematik aus der Logik entsteht. Kaum einer glaubt das noch, weil a) andere<br />

ebenso gute Argumente haben, dass die Logik aus der Mathematik entsteht und<br />

Russell die Verbindung umdreht, und b) es verschiedene Typen von Logik und<br />

Mathematik gibt, die miteinander in Konkurrenz stehen, so dass es, wenn wir<br />

irgendwie über eine von ihnen bei der Wahrheit angekommen sind, ein sehr<br />

glücklicher Zufall ist.<br />

Die formalistische Methode, eingeführt von David Hilbert, hat immer noch<br />

Verteidiger, aber es läuft darauf hinaus, die Mathematik als Spiel zu betrachten,<br />

als würde man im Kopf Schach spielen. Diese Theorie scheint die stärkste der<br />

vier, insoweit sie scheinbar erklärt, wie die Mathematik entstand und sie nicht zu<br />

Widersprüchen oder merkwürdigen Schleifen (wie Russells Theorie) führt, aber<br />

sie lässt uns noch mehr im Dunkeln darüber, warum Mathematik so exquisit mit<br />

einem Experiment übereinstimmt (wenn sie das tut).<br />

Die intuitive Theorie von Brouwer und Mitarbeitern ist noch abstruser und<br />

obskurer als der Name vermuten lässt, und jeder einzelne Teil davon ist immer<br />

noch endlosen und heftigen Debatten unterworfen. Ich war nie in der Lage, mich<br />

selbst völlig davon zu überzeugen, dass ich sie verstehe, deshalb wage ich es<br />

nicht, sie anderen zu erklären. Sie sagt nicht nur, dass wir Mathematik durch<br />

Intuition erhalten und belässt es dabei. Sie entwickelt die Theorie auf eine Weise,<br />

die zu solch bemerkenswerten Schlüssen führt, wie A kann B und Nicht‐B zur<br />

gleichen Zeit sein, und man kann die Erde so auseinander nehmen, dass man sie<br />

in einer Sphäre so groß wie ein Basketball zusammensetzen kann, ohne dass man<br />

einen einzigen Teil wegwerfen muss.<br />

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