Phänomen-Verlag Norina Ebele
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Ruf der Wildnis<br />
Flucht vom Planet der Affen<br />
Die Sorge darüber, dass geriebenes Glas in meine Augen geworfen werden<br />
könnte, brachte mich dazu, über den ganzen katholischen Realitätstunnel zu<br />
brüten. Irgendwie hatte ich auf eine Art, die ich nicht verstand, die Rudimente<br />
eines logischen Geistes bekommen, oder zumindest eines analytischen. (Das ist<br />
es, was der Nachbar meinte, als er meinen Eltern sagte, ich solle Anwalt werden,<br />
wenn ich groß sei.) Die Kirchenlehre bestand darauf, dass wir Gott lieben<br />
müssten und unseren Glauben nie verlieren dürften, oder Er würde uns zu dem<br />
bereits erwähnten Grillen, Toasten, etc. in die Hölle schicken; diese schöne<br />
Geschichte warnte uns jedoch davor, dass Gott Satan vielleicht erlauben würde,<br />
unseren Glauben durch irgendeine fürchterliche Folter zu “testen“, wenn unser<br />
Glaube zu selbstsicher würde.<br />
Die Nonnen hatten mich davon überzeugt, dass ich mich sehr bemühen<br />
müsste zu glauben – das heißt, alles zu glauben, was sie sagten, auch wenn es<br />
zuerst nach offensichtlicher Verrücktheit klang. Ich bemühte mich sehr zu<br />
glauben, damit ich nicht in der Hölle landete.<br />
Aber die Geschichte von dem geriebenen Glas zeigte, dass das katholische<br />
Glaubenssystem (GS) eine merkwürdige Windung hatte. Für mich war ganz<br />
deutlich, dass Glaube ebenso gefährlich sein konnte wie die Abwesenheit von<br />
Glauben. Wenn dein Glaube nicht stark genug war, würde Gott dem Teufel<br />
erlauben, dich nach deinem Tod zu foltern; wenn dein Glaube zu stark war,<br />
würde Er dem Teufel erlauben, dich jetzt gleich zum Test zu foltern. Es war eine<br />
“Nimm diesen Weg und verliere oder nimm den anderen Weg und verliere“‐<br />
Situation – was Gregory Bateson später einen “double bind“ nannte.<br />
Ich erkannte allmählich, dass der einzige Ausweg darin bestand, als Nicht‐<br />
Katholik geboren zu werden, und diese Gelegenheit hatte ich verpasst. Sobald<br />
man als Katholik geboren war, gab es keinen Ausweg, da man nichts in Frage<br />
stellen konnte, was die Nonnen einem erzählten. In Frage stellen war “die Sünde<br />
des Stolzes“ und garantierte die extremsten Formen des Grillens, Röstens,<br />
Toastens, Kochens und Frittierens.<br />
Wie viele amerikanische Autoren (Leslie Fiedler hat ein wunderbares Buch<br />
geschrieben, in dem sie das Thema in unserer Literatur untersucht) begann ich,<br />
Fantasien darüber zu entwickeln, ein Indianer zu sein. Was immer es in anderen<br />
Autoren hervorrief (Fiedler führt es auf den Puritanismus zurück), in meinem<br />
Fall war es auf das Wunschdenken zurückzuführen, dass ich mir nie Gedanken<br />
über einen Dämon machen müsste, der geriebenes Glas in meine Augen werfen<br />
würde, oder über all das Rösten und Toasten, hätte ich nie von der katholischen<br />
Kirche gehört.<br />
Viele, viele Jahre später erzählte mir eine Cherokee‐Frau, dass die indianischen<br />
Charaktere in meinen Romanen so real seien, dass sie beschlossen hatte, ich<br />
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