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Phänomen-Verlag Norina Ebele

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Die Landkarte ist nicht das Territorium. 38 Mit der Verwendung dieses<br />

sprichwortartigen Ausspruches – den er oft wiederholt – beabsichtigt Korzybski<br />

die Vermittlung vieler Dinge:<br />

Unsere Worte sind nicht die Sinneseindrücke, die sie denotieren (das Wort<br />

“Wasser“ macht dich nicht nass). Unsere Sinneseindrücke sind nicht die<br />

Ereignisse in der Raum‐Zeit, die diese Eindrücke auslösen. (Wenn dir ein Stein<br />

weh tut, ist der Schmerz nicht “im“ Stein, sondern in der Interaktion zwischen<br />

dem Stein und deinen Sinnen.)<br />

Unsere wissenschaftlichen, philosophischen oder religiösen Modelle<br />

(Orchestrierung von Worten und anderen Symbolen) sind nicht das non‐verbale<br />

Universum, das sie beschreiben oder erklären wollen; die Speisekarte schmeckt<br />

nicht wie das Essen, hat dieselben Nährstoffe oder Zusätze wie das Essen und so<br />

weiter. Kurz, unser mentaler Aktenschrank kann uns beim Klassifizieren und<br />

Verstehen der Welt gute – oder schlechte – Dienste leisten, aber auch im besten<br />

Fall, in dem er uns (für eine Weile...) gute Dienste leistet, sollten wir ihn niemals<br />

mit der Welt verwechseln.<br />

Die Landkarte zeigt nicht das ganze Territorium. Eine Karte von Los Angeles, die<br />

“alles“ von Los Angeles zeigen würde, müsste den gleichen Raum einnehmen<br />

wie Los Angeles und könnte deshalb überhaupt nicht als Karte dienen. Um<br />

“alles“ von Los Angeles zu zeigen, müsste die Karte die Zeit mit einschließen<br />

und sich entwickeln, wie L. A. es über Äonen getan hat, von einer unbewohnten<br />

Wüste zu einem zeitweiligen Lager der Indianer, zu einer kleinen spanischen<br />

Mission etc. bis hin zur Gegenwart und in die Zukunft.<br />

Beachtet, dass die “niedrigsten“ Formen der Bigotterie – z. B. Aussagen über<br />

“alle Juden“, “alle Schwarzen“, “alle Männer“, “alle Frauen“ etc. – implizit<br />

annehmen, dass eine “Karte“ oder ein “Modell“ das ganze Territorium zeigt. Da<br />

keine Karte und kein Modell das kann, könnte ein Training in Korzybskis Semantik<br />

Rassismus, Sexismus und ähnliche gefährliche Dummheiten schneller heilen als jede<br />

andere Lehrtechnik. Aber beachtet auch, dass sogar die ausgefeilteren und<br />

gelehrteren Bigotterien – z. B. die Wissenschaftler, die überzeugt sind, dass nur<br />

sie die richtige Theorie haben und alle Wissenschaftler mit rivalisierenden<br />

Theorien “unfähige“ “Tölpel“ “sind“ – auf einer ähnlichen Täuschung basieren,<br />

die dahin geht, dass man der Überzeugung ist, eine Karte zu haben, die das ganze<br />

Territorium zeigt. Sobald wir eine Karte haben, können wir eine Karte der Karte<br />

und eine Karte der Karte der Karte etc. anfertigen. Auf der einfachsten Ebene<br />

bedeutet das, dass die Menschen, sobald sie Sinneneindrücke haben, (anders als<br />

andere bekannte Tiere) “Karten“ und Modelle machen können, um diese<br />

Eindrücke zu klassifizieren und zu organisieren. Sobald ich das Wort “Stuhl“<br />

38. Bourland würde das neu formulieren als “Wir sollten die Landkarte nicht<br />

mit dem Territorium verwechseln“, um jeden Gebrauch von “ist“ zu vermeiden.<br />

Ich stimme jedoch mit Korzybski überein, dass die Verneinung von Identifi‐<br />

zierung (wie in “ist nicht“) auf das Gehirn einen gegenteiligen neuro‐linguis‐<br />

tischen Effekt der Behauptung von Identität (wie in “ist“) hat, und deshalb habe<br />

ich nichts gegen “ist nicht“.<br />

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