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Phänomen-Verlag Norina Ebele

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Filme öffnen mir Türen<br />

Wie auch die Wahrscheinlichkeitstheorie<br />

Als die Zeit für die High‐School kam, überzeugte ich meine Eltern, dass ich<br />

Ingenieur werden wollte. Das überzeugte sie, mich zur Brooklyn Technical High<br />

School zu schicken, und ich musste nicht mehr den Nonnen zuhören, wie sie<br />

stundenlang eintönig über Gott, Satan, die Hölle und all das Zeug aus<br />

Horrorfilmen redeten. Das war mein wahres Ziel – aus dem katholischen Nexus<br />

herauszukommen. Ich wollte überhaupt kein Ingenieur werden. Ich wollte Autor<br />

werden, aber wann immer ich das meinen Eltern gegenüber erwähnte, sagten sie<br />

mir, dass alle Schriftsteller verhungerten und ich mich niemals davon ernähren<br />

könnte.<br />

Den ganzen Krieg hindurch hatten die Gewerkschaften beständig bessere<br />

Verträge für die Arbeiter der Navywerft ausgehandelt. Wir zogen nach Bay<br />

Ridge, damit ich näher an der Brooklyn Tech wäre, und im Allgemeinen lebten<br />

wir im Vergleich zur Depression so gut, dass ich dachte, wir wären endlich zu<br />

Spitzenvorhang‐Iren geworden.<br />

Die katholische Kirche hatte mir nie etwas gegeben, was die New Agers ein<br />

“spirituelles“ Leben nennen würden; sie hatte mich nur mit Aberglauben und<br />

Ängsten erfüllt. Trotzdem hatte ich auf Filmen basierend in einem allgemeinen<br />

Sinne ein “spirituelles“ Leben. Ich hatte herausgefunden, dass manche Filme<br />

mich in ein Hoch wie bei einem Drogentrip versetzten, den ich virtuelle Realität<br />

nenne, und diese Filme sah ich mir mehrmals an und erfreute mich mit jedem<br />

Anschauen tieferer und tieferer Geisterweiterung und fing langsam an, ein<br />

wenig von dem, was ich später lernte, die Kunst des Filmes zu nennen, zu<br />

verstehen.<br />

Die Filme, die mich am tiefsten in psychedelische Zustände versetzten, waren<br />

Der Teufel und Daniel Webster (Regisseur William Deterle), Das Bildnis des Dorian<br />

Gray (Regisseur Albert Lewin), Hier ist John Doe (Regisseur Frank Capra), Ich<br />

folgte einem Zombie (Regisseur Jacques Tourneur), Ich heirate eine Hexe und Es<br />

geschah morgen (beide von René Claire) und alle Filme von Orson Welles,<br />

besonders Die Lady von Shanghai mit seinem völlig psychedelischen Höhepunkt,<br />

wo der Held sich unter Drogeneinfluss in einem Freudenhaus verirrt und dann<br />

in einer Spiegelhalle in das Kreuzfeuer einer Schießerei gerät.<br />

Ich wusste nicht, dass die Kameraführung, die von diesen Regisseuren<br />

bevorzugt wurde, dem analytischen Kubismus, Surrealismus, Expressionismus<br />

und verschiedenen anderen Entwicklungen in der modernen Kunst entsprach,<br />

aber ich wusste, dass diese Filme mehr visuelle Aufregung und “Lyrizismus“<br />

hatten als gewöhnliche Filme. (Ich war mir zu der Zeit nur vage der Gemälde<br />

bewusst.) Alle meine Lieblingsregisseure riefen diese Empfindung, sich<br />

außerhalb von Raum‐Zeit zu befinden, hervor, die mich immer bei der<br />

Schlussszene von Coopers King Kong überkam: “Es war die Schöne, die das Biest<br />

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