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Phänomen-Verlag Norina Ebele

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Wähle deine Halluzinationen<br />

In der Zwischenzeit passierte etwas anderes. Ein Jazzmusiker – kein<br />

berühmter – brachte mich zum Marihuana. Die erste Erfahrung war typisch für<br />

einen Neuling: Ich sah die Farben bunter, hörte die Musik besser und verbrachte<br />

eine Menge Zeit damit, über nichts Besonderes zu kichern. Ich fühlte auch<br />

“schmelzende“ Empfindungen warmer Energie, die durch meinen Körper liefen,<br />

besonders durch meine Arme, Beine und den Penis. Die meisten Pot‐Raucher<br />

erfreuen sich offenbar einfach an dieser Erfahrung und denken nie darüber nach,<br />

warum ein einfaches Kraut so viele Parameter in ihrem Nervensystem verändert.<br />

Da ich bereits als zwanghafter Wiederkäuer diagnostiziert bin, werdet ihr nicht<br />

erstaunt sein, dass ich diese Frage fast so interessant fand wie die Erfahrung<br />

selber.<br />

Die Welt besteht aus farblosen Atomen, so hatte ich es gelernt, und unser<br />

Gehirn gibt den großen Verbindungen von Atomen, die wir “Objekte“ nennen,<br />

Farben. Wieso verändern sich die Farben, wenn wir high sind? Die Farben<br />

repräsentieren die “Interpretation“ der Wellenfunktionen durch unser Gehirn,<br />

die die Struktur von Gleichungen haben, einschließlich der verdammten<br />

Quadratwurzel aus minus eins. Die Wellenformen (Gleichungen) können sich<br />

nicht verändern, wenn wir die Cannabismoleküle in unsere neuro‐chemische<br />

Brühe lassen (oder doch?), also muss unsere Gehirn‐“Software“ die Änderungen<br />

vornehmen.<br />

In diesem Fall scheint die Gehirnsoftware die Organisation des “Verkehrs“ zu<br />

übernehmen – welche chemischen Signale an welche Synapsen übergeben<br />

werden. Unser Gehirn erlebt eine Art organisatorischen Quantensprung.<br />

So löst die Cannabiserfahrung in wissenschaftlichen Worten eine<br />

Halluzination aus (unser normaler Weg, Farben zu sehen, die nicht da sind), um<br />

uns mehreren Halluzinationen zu öffnen (zahllosen neuen Wegen, Farben zu<br />

sehen, die nicht da sind). Aber diese strikt materialistische Erklärung schien mir<br />

nicht zufrieden stellend, aus Gründen, die mit meinen Erfahrungen mit Kunst<br />

und anderen virtuellen Realitäten zu tun haben.<br />

Egal ob man durch Marihuana aus seinem normalen Realitätstunnel in ein<br />

Labyrinth der vielfachen Wahl virtueller Realitäten verschoben wird, oder durch<br />

Charlie Parker, oder einen Orgasmus, oder Meditation, oder Picasso, oder King<br />

Kong oder durch die böse Hexe des Westens: Die Erfahrung beinhaltet<br />

Zeitlosigkeit und Befreiung. Man fühlt sich weniger mechanisch und scheint kurz<br />

davor zu sein, das zu verstehen, was die Mystiker mit “Erwachen“ meinen;<br />

manchmal, besonders mit Beethoven, fühlt man fast, dass man nie die “absurden<br />

guten Neuigkeiten“ (wie Chesterton es nannte) dieses erwachten Zustandes<br />

vergessen wird.<br />

Die Reich‘sche Therapie (wie ich bald erfahren sollte) und einige orientalische<br />

Varianten der Chiropraxis können einen ebenfalls in diesen zeitlosen Zustand<br />

versetzen, scheinbar zwischen parallele Universen oder neurologische<br />

Realitätstunnel – alle als mögliche Erfahrungen gleichermaßen “real“ – und alle<br />

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