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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

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“Ich habe <strong>den</strong> Nazi mit Gewalt aus der Wohnung holen müssen”, erinnert sich Olie Giveon.<br />

“Anscheinend ahnte er, dass wir nicht wirklich Militärpolizisten waren.” Die drei Männer schafften <strong>den</strong><br />

Gefangenen mit dem Auto in einen nahen Wald. “Wir mussten uns beeilen, <strong>den</strong>n wir hatten Angst,<br />

dass wir vom englischen Militär erwischt wür<strong>den</strong>. Wir unterhielten uns mit dem Mann etwa eine halbe<br />

Stunde. Ich sagte: ,Im Namen des <strong>jüdischen</strong> Volkes ist es bestimmt, dass du das Leben verlierst.’<br />

Dann haben wir ihn erschossen.”<br />

Ein Urteil ist vollstreckt. Der Delinquent war schuldig gesprochen wegen Teilnahme am Holocaust.<br />

Seine drei selbsternannten Ankläger, Richter und Vollstrecker mussten sich nie für ihre Tat<br />

verantworten. Sie gingen nach Israel zurück, wo sie seit 1939 gelebt hatten und führten ein Leben als<br />

unbescholtene Bürger.<br />

Wie Dov Shenkal und Olie Giveon wanderte auch Chaim Miller 1939 als junger Zionist von Wien nach<br />

Palästina aus; das Land untersteht noch britischem Völkerbundsmandat. Am 15. März, als Hitler mit<br />

der Wehrmacht in Prag einzieht, kommt Chaim Millers Schiff im Hafen von Haifa an. Er ist 18 Jahre<br />

alt. In Wien hat er seine Eltern zurückgelassen, er wird sie nie wiedersehen. Miller will Israel<br />

mitaufbauen, <strong>den</strong> Staat der Ju<strong>den</strong>. Wie Shenkal und Giveon wird er Mitglied der Hagana, einer<br />

Untergrundbewegung zur Abwehr arabischer Überfälle.<br />

Drei Jahre später steht Hitlers Armee unter Feldmarschall Erwin Rommel in Ägypten und bedroht <strong>den</strong><br />

Traum der Ju<strong>den</strong> vom eigenen Staat. Die Führung in Palästina beschließt, Rommel eigene Männer<br />

entgegenzustellen. Tausende jüdischer Soldaten dienten bereits in <strong>den</strong> britischen Streitkräften. Nun<br />

erlaubten die Engländer die Ausbildung jüdischer Guerillakämpfer.<br />

Die Hagana baut eine geheime 35 Mann starke Spezialeinheit auf: die “Deutsche Abteilung”. Auf <strong>den</strong><br />

Hügeln über dem Kibbuz “Mischmar Ha’emmek” kreuzen sich im Juni 1942 die Wege von Dov<br />

Shenkal, Olie Giveon und Chaim Miller zum ersten Mal. Alle drei sind groß, blond und blauäugig.<br />

Deutsch ist ihre Muttersprache. Als deutsche Offiziere verkleidet, sollen sie im Rücken von Rommels<br />

Afrikakorps für Sabotageakte eingesetzt wer<strong>den</strong>. In Uniformen der Wehrmacht durchlaufen sie die<br />

gleiche Grundausbildung wie ihre Feinde. Täglich üben sie an deutschen Waffen, nachts stehen<br />

Nazilieder auf dem Ausbildungsprogramm – Lieder, die sie hassen und doch nie vergessen wer<strong>den</strong>.<br />

Chaim Miller hat die Zeilen noch heute im Kopf.<br />

“Durch Großberlin marschieren wir, für Adolf Hitler kämpfen wir, die rote Front, schlagt sie entzwei, SA<br />

marschiert, Achtung, die Straße frei.”<br />

Rommel und sein Afrikakorps kommen nicht bis Palästina, die Deutsche Abteilung nicht zum Einsatz.<br />

Die Ju<strong>den</strong> unter der Führung des späteren Staatsgründers David Ben-Gurion fordern seit Jahren,<br />

gegen Nazi-Deutschland eine eigene Armee ins Feld führen zu dürfen. Doch erst Ende 1944 stimmen<br />

die Engländer zu, eine 5000 Mann starke Jewish Brigade Group aufzustellen. Fast alle Freiwilligen,<br />

die sich in Palästina zur Jüdischen Brigade mel<strong>den</strong>, sind Mitglieder der Hagana. Ihr Brigadeabzeichen<br />

ist ein Davidstern, ihre Einheit gehört zur britischen 8. Armee, die in Italien kämpft.<br />

Anfang März 1945 zieht sich die Wehrmacht nördlich von Florenz hinter die sogenannte Gotenlinie im<br />

Zentralapennin zurück. Endlich kommt die Brigade zum Einsatz. Die Deutsche Abteilung mit Olie<br />

Giveon, Chaim Miller und Dov Shenkal meldet sich am 26. April 1945 zum Einsatz. Aber da ist der<br />

Krieg schon fast vorüber. “Es war schrecklich”, erinnert sich Dov Shenkal, “eine fürchterliche<br />

Enttäuschung. Jahrelang hatten wir uns auf <strong>den</strong> Kampf gegen die Deutschen vorbereitet. Dafür waren<br />

wir in die britische Armee eingetreten. Und dann passierte fast nichts.”<br />

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