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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

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die New York Times und das Magazin Esquire. Er begann Bücher zu schreiben, in<br />

<strong>den</strong>en er sich nicht zuletzt mit seiner Emigrations- bzw. der Wiener Geschichte<br />

auseinandersetzt. In seinem Roman "Die Ewigkeitsgasse" 57 (1984) gibt er unter<br />

anderem die Geschichte von Hernals in dieser Zeit wieder. Er schildert darin <strong>den</strong><br />

Aufstieg des kleinen Handwerkers (Berek Spiegelglas - ein literarisches Porträt des<br />

Großvaters des Autors) aus der k. u. k. Provinz zum angesehenen Fabrikanten und<br />

Hausbesitzer in Wien bis zu dessen Tod (1938 im Buch, tatsächlich 1936).<br />

In einem Interview – siehe „Vom Türkenplatzl zur Thelemanngasse“ 58 (– spricht er<br />

über Bezüge zwischen dem Roman und der Familiengeschichte:<br />

„Das Türkenplatzl ist die Thelemanngasse; das ist eine kleine Wiener Gasse mit nur acht<br />

Häusern, zwischen Brunnenmarkt und Gürtel. Benannt nach einem Friedrich Thelemann,<br />

einem sehr erfolgreichen Architekten, der später ein erfolgreicher Grundstücksmakler wurde.<br />

Mein Großvater war Dorfschmiedelehrling in einer Hufschmiede am Brunnenmarkt. Dann<br />

sattelte er auf Schnittenstanzenmacher um, war Geselle bei einem Pfeifenmacher, machte<br />

dann seine Meisterarbeit und begann eine Werkstätte in der Thelemanngasse 8<br />

einzurichten. Dort machte er unter anderem k. u. k. Or<strong>den</strong>. Im Vorwort zu meinem Buch „Ein<br />

letzter Walzer“ habe ich über die Werkstatt geschrieben. Mein Großvater war in Kontakt mit<br />

reichen Leuten wie <strong>den</strong> Kohns. Herr Kohn finanzierte meinen Großvater. Großvater war<br />

technischer Leiter der Werkstätte und kaufte dann das Haus von <strong>den</strong> Kufners. Die Kufners<br />

waren Besitzer einer Brauerei, sie waren ebenfalls Ju<strong>den</strong>. Ignaz Kufner war der letzte<br />

Bürgermeister von Hernals. Hernals war damals ja eine eigene Gemeinde und wurde erst<br />

1898 Wien eingemeindet. (…)<br />

Mein Großvater machte dann eine größere Fabrik auf, Thelemanngasse 4, und kaufte auch<br />

das Haus Nr. 6. so besaß unsere Familie schließlich Thelemanngasse 2, 4, 6 und 8. Ich<br />

wurde in Haus Nr. 8 geboren, wo auch der Komponist Edmund Eysler geboren wurde.<br />

Das Haus Nr. 8 ist historisch, aber nicht architektonisch interessant. In <strong>den</strong> Räumlichkeiten,<br />

in <strong>den</strong>en mein Großvater seine erste Werkstatt hatte und Or<strong>den</strong> erzeugte, war vorher, gleich<br />

nach dem Bau des Hauses, eine Tanzschule. Dann kam mein Großvater und machte eben<br />

k. u. k. Or<strong>den</strong>. Dann, als mein Großvater ein sehr wohlhabender Mensch war, vermietete er<br />

die Werkstättenräume an ein jüdisch-orthodoxes Bethaus. Dieses Bethaus wurde 1938<br />

während der „Kristallnacht“ zerstört, an dem Tag, an dem mein Vater verhaftet und nach<br />

Dachau gebracht wurde. Über diesen Tag habe ich ein Feuilleton in der „New York Times“<br />

geschrieben, zur vierzigsten Wiederkehr der „Kristallnacht“.<br />

Dann wur<strong>den</strong> diese Räumlichkeiten ein SA-Klub. Nach dem Krieg wurde das Ganze eine<br />

Schihosenwerkstätte, dann kurz eine Weinhalle. Jetzt beherbergt das Haus, seit fünfzehn<br />

oder zwanzig Jahren, ein kleines Türkenzentrum – mit einer Moschee, einer moslemischen<br />

Greißlerei und einem kleinen Restaurant.<br />

Bürgermeister Michael Häupl hielt vor zirka sieben oder acht Jahren bei der Enthüllung einer<br />

Ge<strong>den</strong>ktafel für das zerstörte jüdische Gebetshaus eine Rede. Das war sehr ergreifend und<br />

passend, <strong>den</strong>n er sagte, was wir einmal <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> angetan haben, dieses Unheil, soll die<br />

Wiener stets vor der Frem<strong>den</strong>feindlichkeit gegen die Türken warnen. Ich war auch dort und<br />

57

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