GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern
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erst nach vielen Jahren in Amerika draufgekommen, dass Jesus ein Jude war –<br />
darüber ist nie gesprochen wor<strong>den</strong>. Das hätte ich <strong>den</strong> Burschen sagen können, die<br />
mich geschlagen haben: Jesus war auch Jude! Mein letzter Schultag war der 11.<br />
März 1938.<br />
Wie haben Sie <strong>den</strong> „Anschluss“ erlebt?<br />
In der Nacht, nachdem Hunderttausende Hitler auf dem Hel<strong>den</strong>platz zugejubelt<br />
haben, schlugen um zwei Uhr acht SA-Leute an unsere Wohnungstür. Jemand muss<br />
ihnen die Kaufhaustür aufgesperrt haben. Sie nahmen, was an Bargeld und<br />
Schmuck da war, auch die beachtliche Briefmarkensammlung meines Vaters. Mich<br />
haben sie abgewatscht, meinen Vater und meine Onkel ins Gefängnis geschleppt.<br />
Wie ist es mit dem Kaufhaus Dichter weitergegangen?<br />
Jüdische Geschäftsleute wie wir waren ja das Hauptziel des Volkszorns. Am<br />
nächsten Morgen habe ich aus dem Fenster eine große schimpfende<br />
Menschenmenge gesehen, die ins Geschäft eingedrungen ist. Es gab zwar keine<br />
Plünderung, aber die Angestellten kamen in die Wohnung und haben die Telefone<br />
von der Wand gerissen. Dabei wäre ein Anruf bei der Polizei ohnehin sinnlos<br />
gewesen. Es waren ja über Nacht alle Nazis!<br />
Haben Sie davor schon Anzeichen dafür bemerkt?<br />
Meine Mutter hat am Samstag immer im Geschäft ausgeholfen, und nach dem<br />
„Anschluss“ hat eine Verkäuferin sie hinausgeschmissen. Obwohl sie die Tochter des<br />
Inhabers war! Am Tag vorher waren sie alle noch freundlich, und nachher hätten sie<br />
einen umgebracht.<br />
Haben Sie überlegt, nach Sauerbrunn zu fahren?<br />
Schauen Sie, man hat nicht gewusst, was sein wird. Es wur<strong>den</strong> ja auch alle Grenzen<br />
sofort gesperrt. Später haben wir erfahren, dass die paar Ju<strong>den</strong>, die nach<br />
Sauerbrunn gefahren sind, von der Bevölkerung blutig geschlagen wor<strong>den</strong> sind.<br />
Wie eine feindliche Meute.<br />
Ja, die haben nur darauf gewartet, anzugreifen. Es ist kein Wunder, dass es zur<br />
Ermordung von sechs Millionen Ju<strong>den</strong> gekommen ist, <strong>den</strong>n der Hass, der Zorn und<br />
der Neid waren unendlich groß.<br />
Wie haben Sie die Wirtschaftskrise der Dreißigerjahre erlebt?<br />
Damals ist es weltweit schlecht gegangen, in Amerika und Frankreich war auch<br />
Depression. Mein Großvater ist jedes Jahr nach Deutschland auf die Messe<br />
gefahren, aber 1933 war damit Schluss. Man hat genau gewusst, was dort vor sich<br />
geht, es stand auch in der Zeitung.<br />
Ihr Großvater hat sein Kaufhaus noch 1935 modernisiert.<br />
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