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GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

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Am Ende des Krieges ist die Brigade im italienischen Tarvisio stationiert, dort, wo Österreich,<br />

Slowenien und Italien aneinandergrenzen. Millionen Menschen ziehen heimatlos durch das zerstörte<br />

Europa. Auch Überlebende der Vernichtungslager sind darunter. Als abgemagerte Flüchtlinge an der<br />

Kaserne der Jüdischen Brigade vorbeiziehen, entschließen sich die Soldaten zu einer beispiellosen<br />

Rettungsaktion: Unter <strong>den</strong> Augen des britischen Militärs schleusen sie mit Hilfe der Hagana Hunderte<br />

von Holocaust-Opfern illegal nach Palästina ein. Von <strong>den</strong> Brigadesoldaten mit britischen Papieren<br />

ausgestattet, wer<strong>den</strong> die Flüchtlinge aus Polen, Deutschland und Österreich mit Militärfahrzeugen<br />

nach Jugoslawien transportiert. Von dort weiter nach Palästina.<br />

Der Holocaust, <strong>den</strong> die <strong>jüdischen</strong> Soldaten bis dahin nur als ferne Tragödie kennen, ist plötzlich zum<br />

Greifen nah. Viele haben ihre Familien in <strong>den</strong> Lagern der Nazis verloren. Der Schock entlädt sich<br />

zunächst in blinder Wut. Brigadesoldaten töten deutsche Gefangene, vergewaltigen österreichische<br />

Frauen. Der Hass auf die Deutschen findet zunächst nur zufällige Ziele.<br />

“Ich weiß nicht, ob man das, was wir taten, überhaupt Rache nennen kann”, sagt Chaim Miller. “Unser<br />

Ziel war nicht das gesamte deutsche Volk. Wir wollten die Schuldigen. Wir suchten nach Leuten, die<br />

an der Vernichtung der Ju<strong>den</strong> beteiligt waren. Eigentlich sollten keine Unschuldigen verletzt wer<strong>den</strong>.<br />

Wir wollten keine blindwütige Rache.”<br />

Die Organisation der Vergeltung liegt in <strong>den</strong> Hän<strong>den</strong> von zwei Männern: Chaim Laskov, der später der<br />

erste Generalstabschef der israelischen Armee wird und Me’r Zorea, auch er später ein hoher<br />

General. Die bei<strong>den</strong> rekrutieren aus der Jüdischen Brigade Rachetrupps, die unabhängig operieren.<br />

Die Deutsche Abteilung spürt einen ehemaligen Gestapo-Mann auf, der mit seiner Frau für die<br />

Konfiszierung <strong>jüdischen</strong> Eigentums zuständig gewesen ist. Er liefert die Adressen anderer Nazis.<br />

Später entledigt man sich des Informanten und seiner Frau.<br />

“Nicht weit von der Stadt entfernt liquidierten wir beide mit Pistolenschüssen. Die Kugeln hinterließen<br />

nur ein kleines Loch in der Stirn und rissen fast <strong>den</strong> ganzen Hinterkopf weg. Einer unserer eigenen<br />

Männer wäre dabei fast verletzt wor<strong>den</strong>. Eine sehr unangenehme Sache.”<br />

Das erzählte der im Juni 1996 verstorbene General Me’r Zorea bei einem Vortrag, der auf Video<br />

aufgenommen wurde. Jede Gruppe hatte ihre eigene Methode, Menschen hinzurichten. “Wenn wir<br />

jeman<strong>den</strong> liquidierten, gingen wir methodisch vor. Nie hat einer erfahren, wie oder warum er getötet<br />

wer<strong>den</strong> sollte und wer wir überhaupt waren. Wir sagten nie: im Namen des <strong>jüdischen</strong> Volkes” – Me’r<br />

Zorea widerspricht damit Giveon. “Keine Ansprachen, keine Vorträge, kein Blablabla. Wir haben die<br />

Nazis getötet, wie man eine Laus zerquetscht.”<br />

Im Frühsommer 1945 ist Olie Giveon mit seiner Rächergruppe in <strong>den</strong> österreichischen Bergen<br />

unterwegs. In einer Berghütte stoßen sie zufällig auf zwei versteckte SS-Offiziere. Sie machen kurzen<br />

Prozess.<br />

“Wir haben sie überrascht”, sagt Olie Giveon. “Ich habe ihnen gleich das Hemd heruntergerissen.<br />

Unter der Achsel trugen sie das tätowierte Zeichen der SS. Nachdem wir einen gewissen Druck<br />

ausgeübt hatten, stellte sich heraus, wer sie waren, wo sie gekämpft hatten und dass sie an der<br />

Vernichtung der Ju<strong>den</strong> beteiligt gewesen waren. Das war nicht einfach aus ihnen<br />

herauszubekommen, sie logen. Ich habe sie dann zu einem Gletscher gebracht und in eine vielleicht<br />

achtzig Meter tiefe Spalte gestoßen. Damit war die Sache erledigt. Wenn ich nicht hundertprozentig<br />

überzeugt gewesen wäre – ich bin sicher, ich hätte das nicht gemacht. Ich muss sagen, ich habe<br />

gestaunt, daß sie sich wie Menschen benommen haben. Es waren doch SS-Offiziere.”<br />

Bis zu hundert Nazis sollen von <strong>den</strong> Soldaten der Jüdischen Brigade in <strong>den</strong> ersten sechs Monaten<br />

nach dem Krieg im allgemeinen Chaos getötet wor<strong>den</strong> sein.<br />

In Polen grün<strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> schon früher eine Racheorganisation, <strong>den</strong>n Polen wird bereits einige Wochen<br />

zuvor befreit. Ihr Motto lautet: “Für uns wird der Krieg nicht en<strong>den</strong>. Unser jüdischer Krieg gegen die<br />

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