GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern
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Häufig unternahm die Familie Waldinger Ausflüge nach Kierling bei Klosterneuburg<br />
ins nahe Liebhartstal im Wiener Wald (siehe Gedicht „Liebhartstal“ im Anhang -<br />
5.7.3.7). Er besuchte das Gymnasium in der Kalvarienberggasse in Hernals und<br />
hörte gerne Vorträge im „Volksheim“, der Volkshochschule Ottakring. 1913<br />
übersiedelte die Familie in die nahe gelegene Bernardgasse 29 im eher bürgerlichen<br />
7. Bezirk auf der anderen Seite des Gürtels. Ernst war Mitglied einer sozialistischen<br />
Mittelschülergruppe, später der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und 1933<br />
Mitbegründer der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller.<br />
Nach der Matura meldete sich der junge Ernst Waldinger mit seiner Schulklasse<br />
geschlossen freiwillig zum Militärdienst, weil er die Ansicht vertrat, dass Ju<strong>den</strong> wie<br />
Nichtju<strong>den</strong> zum Staat stehen müssten, auch wenn sie nicht überall gleichberechtigt<br />
wären. Er wurde Offizier und kam an die Ostfront. Bei Panciu im heutigen Rumänien<br />
wurde er am 17. August 1917 durch Granatsplitter an Kopf und Rücken so schwer<br />
verletzt, dass er vorübergehend sein Sprechvermögen verlor. Durch das Rezitieren<br />
von Gedichten kämpfte er dagegen an. Drei Finger blieben gelähmt. Er studierte<br />
nach dem Krieg Germanistik und Kunstgeschichte. Anschließend arbeitete er für <strong>den</strong><br />
Verlag „Allgemeiner Tarifanzeiger“, ab 1935 war er Mitherausgeber der Reihe „Das<br />
kleine Lesebuch“. Schon seit seinem 16. Lebensjahr hatte er Verse und Essays<br />
verfasst und in diversen Zeitschriften herausgegeben. 1934 veröffentlichte er seinen<br />
ersten Gedichtband „Die Kuppel“. Er erhielt <strong>den</strong> Julius-Reich-Preis.<br />
Nach dem Anschluss konnte er dank der amerikanischen Staatsbürgerschaft seiner<br />
Frau Beatrice aus Wien nach New York fliehen. 1944 war er Mitbegründer von<br />
Wieland Herzfelds Aurora-Verlag. 1947 erhielt er am Skidmore College in Saratoga<br />
Springs, N.Y, eine Professur, die er bis 1965 innehattte. In seiner Lyrik<br />
(Gedichtbände wie „Die kühlen Bauernstuben“ und „Zwischen Hudson und Donau“)<br />
und als Essayist verarbeitete er die leidvollen Erfahrungen der Entwurzelung durch<br />
das Exil. Im Literaturhaus wurde ihm sogar schon eine eigene Ausstellung gewidmet.<br />
Ernst Waldinger starb am 1. Februar 1970 in New York.<br />
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