23.08.2013 Aufrufe

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutschen wird weitergehen.” Der Führer der Gruppe ist Abba Kovner – Dichter, Partisan, Visionär<br />

und später Abgeordneter der Knesset. Und er ist weitaus radikaler als die Deutsche Abteilung um<br />

Miller, Giveon und Shenkal.<br />

Als Partisan, der in <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong> Wäldern von Wilna operierte, hatte Kovner Zigtausende Ju<strong>den</strong> in<br />

die Gaskammern gehen sehen. Kovner und seine Kampfgefährten sind überzeugt, daß das gesamte<br />

deutsche Volk schuldig ist. Für je<strong>den</strong> der ermordeten sechs Millionen Ju<strong>den</strong> sollen die Deutschen mit<br />

Blut bezahlen. Seine Gruppe plant, sechs Millionen Deutsche durch vergiftetes Trinkwasser<br />

umzubringen. Sie hat die Bevölkerung von Hamburg und Nürnberg ausgesucht.<br />

Jahre später sagt Kovner in einem Interview mit dem israelischen Historiker Levi Aria Sharid: “Die Tat<br />

sollte schockieren. Die Deutschen sollten wissen, dass es nach Auschwitz kein Zurück zur Normalität<br />

geben kann.” Für <strong>den</strong> Plan, <strong>den</strong> die Rächer “Tochnit Alef”, Plan A, nennen, brauchen sie<br />

Unterstützung. Sie hoffen auf die Hagana.<br />

Ende Juli 1945 trifft Abba Kovner in Palästina ein, um Gift zu besorgen; sein Stellvertreter Pascha<br />

Reichmann etabliert währenddessen Ableger der Organisation in Hamburg, Frankfurt, Nürnberg und<br />

München. Abba Kovner will außerdem die Führung der Ju<strong>den</strong> für seine Rachepläne gewinnen. Er<br />

weiht nur wenige Mitglieder der Hagana in seine Pläne ein. Dazu Tom Segev, Historiker und<br />

Kolumnist der israelischen Tageszeitung Ha’aretz: “Die jüdische Führung in Palästina hat Abba<br />

Kovner gefragt: ,Was soll diese obszöne Idee? Was haben wir davon, wenn wir sechs Millionen<br />

Deutsche vergiften?’ Die Kluft zwischen <strong>den</strong> ehemaligen Partisanen, die gerade aus dem Wald<br />

gekommen waren, und <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> in Palästina, die <strong>den</strong> Holocaust nicht mitgemacht haben, war<br />

riesengroß. Das tat weh, es war traumatisch für die jüdische Guerilla.”<br />

In München wartet Pascha Reichmann auf das Gift, das Kovner mitbringen will. Reichmann hat alles<br />

für <strong>den</strong> großen Plan vorbereitet, hat Agenten in die Wasserwerke von Hamburg und Nürnberg<br />

eingeschleust. Im Dezember 1945 schifft sich Abba Kovner in der Uniform eines Soldaten der<br />

Jüdischen Brigade auf einem britischen Truppentransporter ein. Sein Ziel ist Deutschland. Im Gepäck<br />

hat er das Gift. Seine Papiere stammen von der Hagana, zwei ihrer Soldaten begleiten ihn. Die<br />

Hagana, die von Kovners Plänen unterrichtet ist, wird nervös. Nachum Schadmi, Oberbefehlshaber<br />

der Hagana in Europa, schickt einen Kurier nach München. Er soll Kovners Gruppe unterstützen, aber<br />

auch kontrollieren. Dem Kurier wird eingeschärft, regelmäßig über Aktivitäten der Gruppe zu<br />

berichten. Sein Name ist Dov Shenkal.<br />

Benny Morris, Historiker an der Hebräischen Universität von Jerusalem, glaubt, dass die Hagana<br />

Abba Kovner verraten hat. “Die jüdische Führung in Palästina hat schon 1945, also noch vor der<br />

Staatsgründung, verstan<strong>den</strong>, dass Rache an <strong>den</strong> Deutschen zumindest problematisch war. Nicht<br />

Rache sollte die jüdische Politik bestimmen, sondern das Überleben, die Errichtung eines Staates.<br />

Freunde im Ausland waren wichtiger als tote Deutsche.”<br />

Statt ihre Racheträume in historischen Ausmaßen verwirklicht zu sehen, fan<strong>den</strong> sich die Rächer um<br />

Abba Kovner im Abseits. Der Historiker Tom Segev sagt: “Sie sahen sich als die Boten des <strong>jüdischen</strong><br />

Volkes. Als Soldaten. Und sie glaubten, dass sie die Pflicht hätten, diese reinigende Aktion<br />

auszuführen um einen Schlussstrich zu ziehen und ein neues Leben beginnen zu können. Doch mit<br />

dieser Auffassung stan<strong>den</strong> sie allein da.”<br />

Dov Shenkal erinnert sich: “Anfang Dezember kam ich in München an. Ich traf Pascha und weitere<br />

fünf bis sechs Leute. Sie wollten das Trinkwasser einer deutschen Großstadt vergiften. Immer wieder<br />

forderten sie mich auf mitzumachen. Sie sagten: Sechs Millionen Ju<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> abgeschlachtet! Ich<br />

antwortete: Wenn wir jetzt sechs Millionen Deutsche umbringen, sind wir ja selber Nazis.”<br />

116

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!