GESCHICHTESPAZIERGANG „Auf den Spuren jüdischen ... - Erinnern
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Deutschen wird weitergehen.” Der Führer der Gruppe ist Abba Kovner – Dichter, Partisan, Visionär<br />
und später Abgeordneter der Knesset. Und er ist weitaus radikaler als die Deutsche Abteilung um<br />
Miller, Giveon und Shenkal.<br />
Als Partisan, der in <strong>den</strong> umliegen<strong>den</strong> Wäldern von Wilna operierte, hatte Kovner Zigtausende Ju<strong>den</strong> in<br />
die Gaskammern gehen sehen. Kovner und seine Kampfgefährten sind überzeugt, daß das gesamte<br />
deutsche Volk schuldig ist. Für je<strong>den</strong> der ermordeten sechs Millionen Ju<strong>den</strong> sollen die Deutschen mit<br />
Blut bezahlen. Seine Gruppe plant, sechs Millionen Deutsche durch vergiftetes Trinkwasser<br />
umzubringen. Sie hat die Bevölkerung von Hamburg und Nürnberg ausgesucht.<br />
Jahre später sagt Kovner in einem Interview mit dem israelischen Historiker Levi Aria Sharid: “Die Tat<br />
sollte schockieren. Die Deutschen sollten wissen, dass es nach Auschwitz kein Zurück zur Normalität<br />
geben kann.” Für <strong>den</strong> Plan, <strong>den</strong> die Rächer “Tochnit Alef”, Plan A, nennen, brauchen sie<br />
Unterstützung. Sie hoffen auf die Hagana.<br />
Ende Juli 1945 trifft Abba Kovner in Palästina ein, um Gift zu besorgen; sein Stellvertreter Pascha<br />
Reichmann etabliert währenddessen Ableger der Organisation in Hamburg, Frankfurt, Nürnberg und<br />
München. Abba Kovner will außerdem die Führung der Ju<strong>den</strong> für seine Rachepläne gewinnen. Er<br />
weiht nur wenige Mitglieder der Hagana in seine Pläne ein. Dazu Tom Segev, Historiker und<br />
Kolumnist der israelischen Tageszeitung Ha’aretz: “Die jüdische Führung in Palästina hat Abba<br />
Kovner gefragt: ,Was soll diese obszöne Idee? Was haben wir davon, wenn wir sechs Millionen<br />
Deutsche vergiften?’ Die Kluft zwischen <strong>den</strong> ehemaligen Partisanen, die gerade aus dem Wald<br />
gekommen waren, und <strong>den</strong> Ju<strong>den</strong> in Palästina, die <strong>den</strong> Holocaust nicht mitgemacht haben, war<br />
riesengroß. Das tat weh, es war traumatisch für die jüdische Guerilla.”<br />
In München wartet Pascha Reichmann auf das Gift, das Kovner mitbringen will. Reichmann hat alles<br />
für <strong>den</strong> großen Plan vorbereitet, hat Agenten in die Wasserwerke von Hamburg und Nürnberg<br />
eingeschleust. Im Dezember 1945 schifft sich Abba Kovner in der Uniform eines Soldaten der<br />
Jüdischen Brigade auf einem britischen Truppentransporter ein. Sein Ziel ist Deutschland. Im Gepäck<br />
hat er das Gift. Seine Papiere stammen von der Hagana, zwei ihrer Soldaten begleiten ihn. Die<br />
Hagana, die von Kovners Plänen unterrichtet ist, wird nervös. Nachum Schadmi, Oberbefehlshaber<br />
der Hagana in Europa, schickt einen Kurier nach München. Er soll Kovners Gruppe unterstützen, aber<br />
auch kontrollieren. Dem Kurier wird eingeschärft, regelmäßig über Aktivitäten der Gruppe zu<br />
berichten. Sein Name ist Dov Shenkal.<br />
Benny Morris, Historiker an der Hebräischen Universität von Jerusalem, glaubt, dass die Hagana<br />
Abba Kovner verraten hat. “Die jüdische Führung in Palästina hat schon 1945, also noch vor der<br />
Staatsgründung, verstan<strong>den</strong>, dass Rache an <strong>den</strong> Deutschen zumindest problematisch war. Nicht<br />
Rache sollte die jüdische Politik bestimmen, sondern das Überleben, die Errichtung eines Staates.<br />
Freunde im Ausland waren wichtiger als tote Deutsche.”<br />
Statt ihre Racheträume in historischen Ausmaßen verwirklicht zu sehen, fan<strong>den</strong> sich die Rächer um<br />
Abba Kovner im Abseits. Der Historiker Tom Segev sagt: “Sie sahen sich als die Boten des <strong>jüdischen</strong><br />
Volkes. Als Soldaten. Und sie glaubten, dass sie die Pflicht hätten, diese reinigende Aktion<br />
auszuführen um einen Schlussstrich zu ziehen und ein neues Leben beginnen zu können. Doch mit<br />
dieser Auffassung stan<strong>den</strong> sie allein da.”<br />
Dov Shenkal erinnert sich: “Anfang Dezember kam ich in München an. Ich traf Pascha und weitere<br />
fünf bis sechs Leute. Sie wollten das Trinkwasser einer deutschen Großstadt vergiften. Immer wieder<br />
forderten sie mich auf mitzumachen. Sie sagten: Sechs Millionen Ju<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> abgeschlachtet! Ich<br />
antwortete: Wenn wir jetzt sechs Millionen Deutsche umbringen, sind wir ja selber Nazis.”<br />
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